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Halle Halle: Ein Kinderlächeln hilft beim Ertragen des Elends

Von SILVIA ZÖLLER 17.05.2010, 16:10

HALLE/MZ. - Diese Bilder wird Judith Wache wahrscheinlich ihr Leben lang nicht mehr vergessen: Behinderte Kinder, die vor Langeweile an ihren eigenen Sachen kauen und in Zwangsjacken gesteckt werden. Behinderte Kinder, die beschimpft werden, weil sie schreien. Kinder, die nicht selbständig essen können und innerhalb von Minuten mit einem Brei abgefüttert werden. Doch die 19-jährige Hallenserin erlebt auch schöne Augenblicke bei ihrer Arbeit in einem ukrainischen Kinderheim: "Ein Kinderlächeln kann alles Grauen vergessen lassen."

Noch bis August leistet die Absolventin des Giebichenstein-Gymnasiums ein freiwilliges soziales Jahr in der rund 20 000 Einwohner zählenden ukrainischen Stadt Zyrupinsk am Schwarzen Meer bei Odessa. "Ursprünglich wollte ich wegen der Sprache nach Russland", so die 19-Jährige, die Russisch sogar als Abiturfach belegt hatte. Doch über die Organisation "Initiative Christen für Europa" und den Verein "Hilfe für Osteuropa" aus Lychen in der Uckermark flatterte ihr das Angebot ins Haus, sich in der Ukraine zu engagieren - dort ist neben der Landessprache auch Russisch weit verbreitet.

"Die Ukraine ist kein reiches Land. Gerade hier in Osteuropa ist es für Menschen mit Behinderungen immer noch ein sehr harter Kampf ums Überleben", berichtet die Hallenserin von ihren Erfahrungen. Während rund 70 der insgesamt 170 Kinder des Heims eine Förderschule besuchten, spiele sich das Leben der restlichen 100 Kinder fast nur liegend im Bett ab, so Judith Wache. Förderung, Anregung und Spiel seien für sie nicht an der Tagesordnung.

Judith Wache ist - wie die anderen Tagesmütter - für zehn schwerst behinderten Kinder zuständig. "Man könnte mehr machen, doch man muss hier auch die ukrainische Lebens- und Denkweise berücksichtigen", sagt Judith Wache. Denn viele der Tagesmütter hätten keine Ausbildung und würden schlecht bezahlt.

Umso mehr versucht die 19-Jährige, die Kinder zu fördern und zu unterstützen. So etwa den 16-jährigen Schenja, der unter einem Wasserkopf leidet. "Schenja kann als einer der wenigen in der Gruppe sprechen. Da er weder lesen noch schreiben kann, versuche ich, ihm wenigstens die Zahlen näher zu bringen", sagt die Hallenserin.

Häufig geht sie auch mit Kindern spazieren oder zieht sich mit ihnen in das Spielzimmer zurück, das der Verein "Hilfe für Osteuropa" eingerichtet hat. Obwohl dort Bauklötze, Malbücher und andere Spielsachen vorhanden sind, wissen einige Kinder oft nicht, was sie damit anfangen sollen, da sie ihr Leben tagein, tagaus ohne Spielsachen im Bett verbracht haben. Große Freude bereitet den Kindern auch, wenn Judith Wache ihre Geige auspackt oder mit ihnen singt. Trotz der gravierenden Probleme ist die junge Frau froh über die Erfahrungen, die sie in der Ukraine macht: "Ich möchte nach diesem Jahr Sozialpädagogik studieren und kann mir jetzt auch vorstellen, mit behinderten Kindern zu arbeiten."