Halle driftet auseinander Halle driftet auseinander: Könnten sich in der Saalestadt soziale Brennpunkte bilden?

Halle (Saale) - Einst schätzten sich die Bürger glücklich, wenn sie eine Wohnung in Halle-Neustadt bekommen haben. Zu DDR-Zeiten lebten dort Akademiker und Arbeiter Tür an Tür in den modernen Wohnblöcken der sozialistischen Modellstadt. Doch diese Zeiten sind längst vorbei. Wie das Leibniz-Institut für Raumbezogene Sozialforschung (IRS) in einer neuen Studie belegt, gibt es nicht nur dort keine Durchmischung mehr - in Halle haben sich Viertel mit hauptsächlich einkommensschwachen Haushalten entwickelt.
Schwaches Einkommen, hohe Mieten: Halle driftet auseinander
Laut den beiden Forschern Matthias Bernt und Patrick Hausmann, die die Analyse mit Hilfe von kommunalen Daten erarbeitet haben, liegt das vor allem an der Entwicklung der Mietpreise. „Der Wohnungsmarkt hält in weiten Teilen der Stadt kaum noch Angebote bereit, die für einkommensschwache Haushalte leistbar sind, sodass diese in die weniger attraktiven Gebiete ausweichen müssen“, heißt es in der Studie. Zugleich wächst die Saalestadt - seit 2015 spielen Geflüchtete eine größere Rolle. Zugezogene, die über ein geringes Einkommen verfügen, müssen auf günstigere Wohnungen in der Neustadt, auf der Silberhöhe und in Heide-Nord ausweichen.
Stadtviertel wie das Paulusviertel, Giebichenstein und Kröllwitz sind für sie unbezahlbar. Die Mieten in den innenstadtnahen Vierteln liegen teilweise ein Drittel über jenen in den Randgebieten. Laut der Studie werden Ausländer in solchen attraktiven Vierteln zudem diskriminiert, da die Vermieter aufgrund der hohen Nachfrage die Mieter auswählen können. In der südlichen Neustadt hat sich der Ausländeranteil 2017 auf 28 Prozent erhöht in Kanena/Bruckdorf lag er nur bei 0,3 Prozent.
Brennpunkte-Entwicklung: Lebensqualität in Stadtvierteln erhöhen
Die Folge: Die hallesche Stadtviertel sind immer weniger durchmischt, und es bilden sich soziale Brennpunkte heraus. „Die Gentrifizierung attraktiver Wohnlagen und die räumliche Konzentration von einkommensschwachen Haushalten sind damit zwei Seiten derselben Medaille“, lautet das Fazit der Wissenschaftler. Die Stadt könne auf diese Entwicklung nur begrenzt Einfluss nehmen, da sich viele Häuser in Privatbesitz befinden. Wichtiger sei es, die Lebensqualität beispielsweise in der Neustadt zu erhöhen und Kindern durch gute Bildung einen Aufstieg zu ermöglichen.
Johannes Menke, Vorstand im neugegründeten Mieterrat Halle und Freie-Wähler-Stadtrat, sieht durchaus noch Handlungsspielraum, um die Stadtviertel wieder stärker zu durchmischen. „In neuen Wohnvierteln sollte die Stadt einen bestimmten Prozentsatz an sozialem Wohnungsbau festgelegen“, sagt Menke. Zugleich könne ein Mietspiegel helfen, die Preise auf dem Wohnungsmarkt transparent zu machen und dadurch wuchernde Mieten zu verhindern. „Auch die Selbstverpflichtung von HWG und GWG, eine bestimmte Anzahl an günstigen Wohnungen anzubieten, kann die aktuelle Entwicklung eindämmen“, so Menke. (mz)
