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Halle Halle: Der Erfinder von Halle

Von SILVIA ZÖLLER 13.01.2012, 20:39

Halle (Saale)/MZ. - Als Architekt schuf er praktisch alle markanten Bauwerke, die größtenteils heute noch erhalten sind: das Stadtbad, das Sparkassengebäude in der Rathausstraße, das Wittekindbad, den Ratshof, das Gebäude des Gertraudenfriedhofs, das ehemalige Arbeitsamt am Steintor (heute Tagespflegeheim und Restaurant), das Raubtierhaus im Zoo, das Kurt-Wabbel-Stadion, dazu etliche Schulneubauten, ganze Wohngebiete. Und auch technische Gebäude wie die Transformatorenstation am Uniring, die heute den Kult-Imbiss "Don´t worry, be curry" beherbergt, das Umspannwerk am Hallmarkt, in dem vor Kurzem ein Edeka-Markt eröffnet wurde.

27 Jahre lang, von 1912 bis 1939 war der gebürtige Darmstädter in Halle tätig. Bereits im November 1911 hatte sich Bürgermeister Robert Rive um den damals 36-jährigen Jost bemüht, der sich mit der Schaffung der Bad Nauheimer Trink-Kuranlagen über Hessen hinaus einen Namen gemacht hatte.

Rund 60 öffentliche Bauten, dazu gut 200 Ein- und Mehrfamilienhäuser im Gesundbrunnen- und im Lutherviertel sind in Halle nach Josts Entwürfen entstanden.

Dennoch war der Architekt am Ende seines Lebens nicht zufrieden mit sich selbst: "Glücklich der Mensch, der sich ganz erfüllen kann, der in den Grenzen seiner Fähigkeiten das denkbar Beste an der richtigen Stelle leisten kann! Ich habe das Gefühl, als ob ich manchmal mehr hätte leisten sollen. Ob es über meine Fähigkeiten hinausging? Ob ich es an zäher Arbeit habe fehlen lassen?", schreibt er in seinen Lebenserinnerungen.

Und tatsächlich waren seine Bauten nicht unumstritten, vor allem weil er unentschieden war und keinen klaren Stil zeigte. Obwohl er unbeschadet die politischen Wechsel vom Kaiserreich zur Weimarer Republik und zum Nationalsozialismus überstanden hatte - er war lediglich von 1918 bis 1924 Mitglied der linksliberalen Deutschen Demokratischen Partei und nie NSDAP-Mitglied - kehrte er sich während des Dritten Reichs vom modernen Baustil mit Flachdächern ab.

Eines seiner letzten Bauten in Halle war das heutige Jugendamt in der Schopenhauerstraße, damals als Kinderheim gebaut: Hier kam nicht nur das traditionelle Spitzdach wieder.

Doch auch schon früher erntete Jost Kritik. Zum Beispiel für das Umspannwerk am Hallmarkt, das 1924 errichtet wurde. Der hallesche Architekt Martin Knauthe - der unter anderem das AOK-Gebäude am Robert-Franz-Ring entworfen hatte - spottete, dass das Bauwerk aussehe wie ein Pfarrhaus der Marienkirche, unter dem sich die Grabgewölbe alter Erzbischöfe befinden. Wohl treffend formulierte Hubertus Adam 1998 in der Fachzeitschrift "Bauwelt", was das Schaffen Josts ausmache: "Verhaltene Modernität."

Seltsam mutet auch an, dass Jost der Saalestadt praktisch ein neues Gesicht verschaffte, es aber dennoch kaum Aufsätze, wissenschaftliche Forschungen oder Bücher über den Architekten gibt. Mit dem Jubiläum soll endlich mehr Licht in das Leben des fast vergessenen Baumeisters gebracht werden: Der 32-jährige Mathias Homagk schreibt derzeit an der Uni seine kunstgeschichtliche Doktorarbeit über Jost. Sie wird in leicht verständlicher Version vorab im Hasenverlag erscheinen - zur Wiederkehr des Amtsantritts am 1. April. Im Stadtarchiv ist eine Dokumenten-Ausstellung geplant. Eine große Foto-Schau aber lässt auf sich warten. Wilhelm Jost starb 1944. Er ist auf dem Gertraudenfriedhof begraben.