Halle Halle: Bart-Geschichte, die keinen langen Bart hat
Halle (Saale)/MZ. - Während Salmen weiter erzählt und sich seine Stimme hebt und senkt, kommt die Rede nach weit verzweigten Umwegen über Männer auf einem Schiff, die sich an ihren Bärten festhalten und russische Folklore schmettern, abschließend auf Jesus: Denn der hatte auch einen Bart. "Und jetzt sag mal etwas gegen Jesus", beendet der Erzähler seine Geschichte schmunzelnd.
Die Zuhörer im Turm können nicht mehr aufhören zu lachen. Der stolze Bartträger, dem sie gerade gelauscht haben, ist der deutschsprachige Meister im Poetry-Slam, wie die immer beliebter werdenden Jungdichterduelle heißen. Der erst 26-Jährige Salmen wurde mit seinem Text "Bart" deutschlandweit bekannt - und zieht nun als freier Künstler durch die Republik, um seine Geschichten zu verbreiten.
Dabei erzählt er satirisch und pointenreich, selbstironisch, aber vor allem nachdenklich-humorvoll über recht Alltägliches. Beispielsweise darüber, wie er im Zug immer wieder seine Sitznachbarn vergrault oder wie man mit dem Satz "Ich habe eine Axt" allen Problemen des Alltags trotzen kann. Er spricht über "die Perversität des digitalen Kaminfeuers" oder die Analogie zwischen Holzfällen und Empfindsamkeit.
Angefangen hat Salmens Karriere, als er noch Germanistik und Geschichte studierte und zum ersten Mal zum Poetry-Slam ging. Da war er gerade 22 Jahre alt. Über sein Erfolgsrezept sagt er: "Ich kann am besten über mich selbst lachen, wenn ich mir vorstelle, dass doch ich der größte Trottel auf Erden bin", sagt der gebürtige Wuppertaler. Denn jeder habe es verdient, dass man sich über ihn lustig macht, meint er dann mit seiner Erzählstimme, der man so gerne zuhört.
Poetry-Slam sei für ihn vor allem "die Chance, zu experimentieren, sich auszutauschen und ein junges, von den Medien eigentlich für tot gehaltenes Publikum für Literatur zu begeistern." Salmen hat jetzt drei bis vier Auftritte pro Woche. Ein erstes Buch mit dem Titel "Distanzen" ist bereits erschienen, weitere sind in Arbeit - wie auch ein Hörbuch. Eine Lesebühne hat er in Wuppertal zusammen mit seinem Freund und Kollegen Tobias Sträter etabliert. Ab und zu wird er sogar auf der Straße erkannt, wie zuletzt in Halle auf dem Bahnhof. Immerhin war er gerade zum dritten Mal da. Und so langsam gefällt es ihm hier. "Halle mit seinen vielen gemütlichen Altbauten erinnert mich ein bisschen an Wuppertal", sagt der Künstler, während er über seinen Vollbart streicht. Am 5. Dezember will er wieder hier sein.