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Halle Halle: Auf Schweinebäuchen voran

Von HEIDI JÜRGENS 24.10.2011, 18:51

Halle (Saale)/MZ. - Man weiß ja oft gar nicht, was man unter den Füßen oder vor Augen hat. Gut - vielleicht muss man es auch nicht immer wissen. Aber diejenigen, die sich zum "Tag der Steine in der Stadt" jüngst mit Experten von der Uni und von der Denkmalpflege auf den Weg gemacht hatten, waren neugierig. Und sie wurden nicht enttäuscht. Denn auf diesem mehrstündigen Spaziergang durch die Innenstadt wurde klar: Halle ist stein-reich. Und was dazu kommt: Da sind Sachen auf dem Straßenpflaster oder an Häuserwänden zu sehen, auf die wäre man allein nie gekommen. Beispiele?

Fossilien an der Wand

Große Ulrichstraße 59 / 60. Auf der Hauswand zwischen den Eingängen zum Tabakladen und dem Fitness-Club sind bei genauem Hinschauen Fossilien zu erkennen. Schneckenartige Gebilde sind dabei, muschelartige auch. Kein Wunder, erklärt Thomas Johannes Degen vom geowissenschaftlichen Institut der Martin-Luther-Universität, denn die Hauswand besteht aus Jura-Kalkstein - Alter: so etwa 140 Millionen Jahre. Wo er abgebaut wurde, vermag Degen nicht ganz genau zu sagen, aber sehr wahrscheinlich in der schwäbischen Alb.

Doch im Gegensatz zu den rötlichen Steinen, die ein Stück weiter, am neuen Theater, verbaut sind, mutet der 140 Millionen Jahre alte Jura-Kalkstein geradezu jung an. Denn am Eingang des NT hat man Mainsandstein verwendet, etwa 260 Millionen Jahre alt, wie der Fachmann sagt. Während er spricht, steht Degen - wie die übrigen Rundgangs-Teilnehmer auch - auf "Schweinebäuchen". So nennen die Stein-Kundigen die großen rechteckigen Gehwegplatten, die außer in der Ulrichstraße noch an vielen anderen Stellen der Stadt verlegt sind. Je nach Art des Fußweges etwa einen Meter breit. Die Schweinebäuche heißen so, weil sie im Untergrund halbrund sind, eben wie der hängende Bauch des Borstenviehs. Das Material ist Lausitzer Granit - noch weitaus älter als der Mainsandstein, nämlich so ungefähr 360 Millionen Jahre.

Mosaik-Teppich am Löwengebäude

Ein Stück weiter, neben dem Löwengebäude, macht Jeannine Meinhardt vom Institut für Diagnostik und Konservierung an Denkmalen auf einen "Mosaik-Teppich" aufmerksam. Der ist auf dem Kleinpflaster-Weg aus unterschiedlichen Materialien entstanden. Basalt, roter Sandstein, brauner Sandstein und Marmor gehören dazu.

Das Löwengebäude selbst ist stein-mäßig tatsächlich weniger interessant: ein verputzter Klinkerbau, lediglich der Buntsandstein-Sockel und die Granitstufen könnten Geschichten aus Zeiten erzählen, die Millionen Jahre zurück liegen. Im Inneren des Löwengebäudes, so Degen, könne man sich leicht täuschen lassen: "Manches sieht zwar nach Stein aus, ist aber Imitat", sagt er. Wer mal dran klopfe, könne "ein hölzernes Geräusch hören", sagt der Geo-Wissenschaftler.

Die gusseisernen Löwen übrigens, die bis 1868 noch den Marktbrunnen bewachten und dann erst zum Uniplatz umzogen und dem Gebäude seinen Namen gaben, sitzen auf einem Sockel aus Nebraer Buntsandstein. Beim Heine-Denkmal auf der Wiese waren sich die Stein-Experten zunächst nicht so ganz sicher - entweder schlesischer oder Elbsandstein, meinten sie - die Recherche ergab: Sandstein auf jeden Fall, aber aus der Nebraer Gegend. Material ganz aus der Nähe hat man übrigens zum Bau der Sockel von Oper und Post Ende des 19. Jahrhunderts verwendet: Porphyr aus dem Gebiet um Löbejün und den Petersberg. Der obere Teil der Gebäude besteht aus Elbsandstein, an der Oper wurden aber auch große Teile verklinkert. Bei der Post wurde Kalksandstein zum Mauern benutzt, dieser wurde mit Elbsandstein verblendet.

Über Schlacke zum Granit

Interessant ist auch ein Blick zur Kopfsteinpflaster-Straße vor der Oper: Hier machen die Experten wieder Porphyr aus - dieses Mal aber wohl aus der Region um Schwerz im Saalekreis. Flankiert werden die bräunlich-rötlichen Steine von grauen: Mansfelder Kupferschlacke.

Das Kleinpflaster wiederum, das zu den Opern-Stufen aus Lausitzer Granit führt, klassifizieren die Fachleute als "Rogenstein" - ein Buntsandstein aus der Zeit des Trias, so etwa 250 Millionen Jahre alt. Abgebaut wurde er aller Wahrscheinlichkeit nach in der Gegend um Bernburg.

Wer Lust bekommen hat, sich mal etwas näher mit den Steinen in der Stadt zu befassen, der kann sich schon mal das Frühjahr vormerken. Denn dann soll es eine Neuauflage eines Gesteinskundlichen Städteführers geben, in dem dann auch eine Route durch die Saalestadt enthalten ist. Derzeit weist das Buch unter dem Titel "Steine in deutschen Städten" 18 Touren aus - darunter Leipzig, Berlin, Dresden, Wernigerode, Jena und Greiz.