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Halle Halle: Achilles-Verse aus Pleiteland

Von KATJA PAUSCH 26.12.2010, 18:26
Johanna Bratke gab beim Weihnachtssingen die extrovertierte Lady Gaga. (FOTO: THOMAS MEINICKE)
Johanna Bratke gab beim Weihnachtssingen die extrovertierte Lady Gaga. (FOTO: THOMAS MEINICKE) CARDO

Halle (Saale)/MZ. - Wann wird's mal wieder richtig Sommer? Angesichts des Bilderbuch-Winterwetters ist diese Frage, musikalisch zur Premiere des Weihnachtssingens gestellt, berechtigt. Musste allerdings Rudi Carrell 1975 noch, den Winter betreffend, "vom Reinfall des Jahrhunderts" singen, kann 35 Jahre später davon keine Rede sein. Und so unterstützte ein sangesfreudiges Publikum in dem an allen drei Abenden ausverkauften Steintor den von Ivo Tondera stilecht kopierten Carrell im Kampf gegen Eis und Schnee auf Halles Straßen mit tausendfacher Stimmgewalt - man sang sich vor der Kulisse des Moritz-Götze-Bühnenbildes einfach warm.

Schwer fiel das nicht, spielte sich das Weihnachtssingen doch in einem der beliebtesten Urlaubsländer ab: Die Animateure des Objekt 5 hatten in diesem Jahr zu vier Stunden Pauschal-Urlaub nach Griechenland eingeladen. Bevor Pop-Größen wie Green Day (Sven Macha) und Patti Smith (erstmals dabei: Hendrikje Balsmeyer), eine total durchgeknallte Lady Gaga (Johanna Bratke) und Deutschlands neuer Pop-Stern Lena (Dana Kreyer) das im leider gestiegenen Preis inbegriffene Kulturprogramm für die urlaubsreifen Zuhörer bestreiten sollten, segelte Alexis Sorbas (Peter Brock) in Begleitung zweier echter hallescher Griechen - einer davon Unternehmer Janis Kapetsis - mit einem Schiff durch ein jubelndes Menschenmeer im überfüllten Parkett.

Dem blau-weiße Papierfähnchen schwingenden Publikum erklärte Brock eingangs, was es mit den "angeblichen" Schulden der Südländer auf sich hat. Allein massenhafter Diebstahl an den gutmütigen und nie schlecht gelaunten Griechen sei schuld, dass deren Land pleite ist. "Die Welt ist voller Raubkopien", klagte Sorbas-Brock, den ganzen Abend lang emsig Ouzo und Retsina an sein Publikum verteilend. Man schaue sich doch nur das Capitol in Washington an, und auch die Berliner Museumsinsel beherberge unzählige antike Schätze: "Geraubt - den Griechen!".

Apropos Raub: Um die um Nektar und Ambrosia bestohlenen Götter auf dem Olymp zu besänftigen, suchte Brock im Saal verzweifelt nach einer Jungfrau als Opfergabe. "Die nächste Sängerin kommt allerdings nicht in Frage, denn Zeus verschmäht alles, was von der Insel Lesbos kommt". Das Publikum hingegen nicht: Es verlangte von der Gossip-Kopie Steffi Wagner sogar mehr, nämlich die erste Zugabe des Abends. Die stimm- wie auch sonst gewaltige Sängerin bekam donnernden Applaus, verschwand dann aber leider als Nana Mouskouri im Background.

Sehr schade, ihr hätte man gern noch mindestens ein Lied abgenommen, am liebsten natürlich "Weiße Rosen aus Athen". Die gab es zwar, aber nur als Blumenpräsent an die Gäste in den vorderen Reihen. Überhaupt wäre etwas mehr griechisches Liedgut ganz schön gewesen, hätten doch Mikis Theodorakis, Costa Cordalis, Demis Rousos & Co. sicher genügend Persiflagen-Material geboten. Doch zumindest Vicky Leandros in Gestalt von Annett Boose hielt mit ihrem Lied von der "Bouzouki der Nacht" die Fahne der Griechen hoch.

Und schließlich gab es ja noch mit Ilka Grieser (Cello), Katharina von Koch und Sally Schröder (Geigen), die drei Musen Terpsichore (Tanz), Thalia (Komödie) und Polyhymnia. Letztere, die Muse der Hymnendichtung, sei aber nur wochentags von 10 bis 18 Uhr zugange - Brock hatte mit seinem Gag auf Halles Musikalienhandlung in der Geiststraße einen Volltreffer gelandet.

Als Vollblut-Griechen präsentierten sich auch die "Kakophonischen Testosteroniker an der Komischen Oper Korinth". Ähnlichkeiten der Begleitband mit den berühmten "Korinthenkackern" seien nicht ausgeschlossen, meinte Brock, der seine Urlaubsgäste quer durch die Antike führte und mit "Achilles-Versen" beglückte. Höhepunkt des All-Inclusive-Reisepakets: "2 Unlimited" mit dem Titel "No Limit" - phantastisch gecovert von Emilie Syska und Falk Huth.

Kein Limit allerdings gab es bei der Pause: 40 Minuten waren eindeutig zu lang, das Publikum schwächelte sichtlich. Doch Madonna (Katharina Grasse), umtanzt von den feurigen Retsina-Grazien , Peter Fox (Stefan Ludwig) mit drei leibhaftigen Stadt-Affen und als letzte große Nummer ABBA (Gesine Bräter, Ute Vincenz, Frank Bär, Klaus Adolphi) machten die Leute im Saal eine Stunde nach Mitternacht wieder munter.

Und so wie jeder Urlaub einmal zu Ende geht, waren auch die Griechenland-Reisenden glücklich am Ziel angekommen - drei Uhr morgens und allesamt noch mit einem guten Tropfen auf den Lippen: Nämlich dann doch dem lange erwarteten "Griechischen Wein".