Halle abgekocht

Von Kathleen Bendick und Oliver Müller-Lorey 28.08.2013, 18:00
Wasser zum Salatwaschen kocht sich Lutz Weigelt auf dem Herd ab.
Wasser zum Salatwaschen kocht sich Lutz Weigelt auf dem Herd ab. Oliver Müller-Lorey Lizenz

Halle/MZ - Es sind mikroskopisch kleine Parasiten, die in Halle derzeit eine große Wirkung haben. Nach dem Auftreten von Durchfall-Erkrankungen, hervorgerufen durch Kryptosporidien-Erreger, raten die Behörden zum Abkochen des Trinkwassers. Solange nicht klar ist, wie sich die Erkrankten angesteckt haben, soll dieses Gebot weiter gelten. Betroffen sind natürlich nicht nur private Haushalte, sondern auch Firmen, Restaurants und Unternehmen.

Wesentlich mehr Wasserkästen als sonst werden seit gestern deshalb in den Altenpflegeheimen der Paul-Riebeck-Stiftung benötigt. Dort, wo in der Seniorenpflege sonst Leitungswasser beispielsweise beim Zähneputzen verwendet wird, kommt nun stilles Mineralwasser zum Einsatz. Seit die Warnung bekannt ist, hat der Hygienebeauftragte René Conrad mit dem Gesundheitsamt ein Konzept für die 450 Mitarbeiter ausgearbeitet. „Wir haben erstmal alle Mitarbeiter, Angehörigen und Bewohner informiert. Bei uns wird nun vermehr desinfiziert. Sauberkeit ist ganz wichtig“, sagt Conrad. Erfahrungen habe man mit solchen Situationen vor allem aus der Vorsorge gegen Noro-Viren, die regelmäßig im Herbst und Frühjahr eine Rolle spielen. Durchfall-Erkankungen durch Kryptosporidien hat es hier bislang nicht gegeben. Obst wird in den Pflegeheimen nur noch mit abgekochtem Wasser gewaschen. „Oder wir schälen es“, sagt Conrad.

Auch der 25-jährige Student Rune Winkelströter nimmt die Warnung der Behörden ernst. Seitdem er am Montagabend von der Abkoch-Empfehlung gelesen hat, putzt er sich in der Küche die Zähne - hier steht der Wasserkocher. „Das Leitungswasser zum Zähneputzen zu nehmen oder es sogar zu trinken, ist mir zu heikel,“ sagt der Master-Student. Obst mit abgekochtem Wasser abzuwaschen, hält er dagegen für übertrieben. Dennoch will der junge Mann in den kommenden Tagen die ein oder andere Wasserflasche mehr kaufen - sicher ist sicher.

Für die zehn Schützlinge von Tagesmutter Karolin Fröhlich brodelt seit gestern literweise Wasser auf dem Herd. „Wir haben erstmal alle Töpfe, die wir haben, mit Wasser gefüllt und sie abgekocht“, so die Pädagogin, die vor elf Jahren die „Stupsnasen-Gruppe“ mit ihrer Mutter Kathrin gegründet hatte. „Seitdem ist es uns noch nie vorgekommen, dass wir in diesem Umfang alles abkochen mussten“, sagt die 29-Jährige. Mütter hätten sich besorgt nach der Ansteckungsgefahr erkundigt, als sie die Kinder früh in die Betreuung gaben. Die Nachricht zur Kryptosporidien-Infektion habe viele verunsichert. „Für uns ist die Situation auch eine Herausforderung, weil wir hier auch das Mittagessen selbst kochen.“ Deshalb kochen die Tagesmütter weiterhin Wasser, was das Zeug hält. „Es sollte immer genug da sein“, so Fröhlich.

Auf besondere Hygiene kommt es in Großküchen generell an. Dass das Wasser zum Salatwaschen abgekocht wird, ist aber auch für Koch-Lehrling Lutz Weigelt die Ausnahme. „Ich habe mir auf dem Herd im Topf immer die Menge erhitzt, die gebraucht wurde“, sagt der 20-Jährige, der gestern fast ein bisschen froh war, dass nicht so viel Publikumsverkehr im beliebten Ausfluglokal Knoll’s Hütte in Dölau einkehrte. „So kamen wir trotz des Abkoch-Gebots immer hinterher und konnten garantiert keimfreies Essen servieren.“

Neben den allgemeinen Beratungen hat das Gesundheitsamt gestern auch gezielt Zahnärzte angesprochen und Hinweise zur Wassernutzung in den Praxen gegeben. Einige verfügen bereits über moderne Entkeimungsanlagen und Filter, mit denen das Trinkwasser zum Ausspülen und Zähneputzen für Patienten sterilisiert wird. In anderen Praxen wie der von Zahnmedizinerin Beate Mathias kam einfach ein Topf auf den Herd. Bei ihr wird das Trinkwasser für den Behandlungsraum zwar von vornherein entkeimt. Dennoch steht für einige Substanzen ein extra Behälter mit abgekochtem Wasser bereit. Das wird zum Beispiel für das sogenannte Alginatpulver benötigt, das mit Wasser angerührt wird. Damit wird dann die Paste für Abdrücke von Gebissen hergestellt.

In der Küche der „Stupsnasen“ hat Tagesmutter Karolin Fröhlich immer genug Wasser auf dem Herd.
In der Küche der „Stupsnasen“ hat Tagesmutter Karolin Fröhlich immer genug Wasser auf dem Herd.
Franziska Ofiera Lizenz
In den Altenheimen der Riebeck-Stiftungen desinfiziert sich Edeltraud Nattrodt die Hände.
In den Altenheimen der Riebeck-Stiftungen desinfiziert sich Edeltraud Nattrodt die Hände.
Günter Bauer Lizenz
Rune Winkelströter putzt sich ab sofort in der Küche die Zähne.
Rune Winkelströter putzt sich ab sofort in der Küche die Zähne.
Oliver Müller-Lorey Lizenz