1. MZ.de
  2. >
  3. Lokal
  4. >
  5. Nachrichten Halle
  6. >
  7. Günter "Baby" Sommer : Günter "Baby" Sommer : Trommeln für die Republik

Günter "Baby" Sommer  Günter "Baby" Sommer : Trommeln für die Republik

Von Katja Pausch 09.03.2016, 07:57
Günther "Baby" Sommer
Günther "Baby" Sommer Falk Wenzel

Halle (Saale) - Das letzte Mal, als er bei einem Theaterstück die Drumsticks schwang, war 1972. „Das war in den Kammerspielen des Deutschen Theaters in Berlin - bei Plenzdorfs berühmten ,Leiden des jungen W.’“, erinnert sich Günter Sommer. Der berühmte Schlagzeuger und Free-Jazzer der ersten Stunde wird eigentlich nie ohne seinen Zusatznamen „Baby“ genannt. Woher der stammt, ist der 72-Jährige „schon zig tausendmal“ gefragt worden. Und genau so oft erzählt er die Geschichte von dem berühmten Schlagzeuger namens Warren „Baby“ Dodds, der schon 1918 mit Louis Armstrong auf der Bühne stand.

Dodds, 1898 in New Orleans geboren und nur „Baby“ genannt, war der erste bedeutende Jazz-Schlagzeuger - und für den jungen Sommer wegweisend. „Ich habe versucht, wie er zu spielen. Später wollte ich mit einer europäischen Spielweise meinen eigenen Weg gehen“, so Sommer, der an der Hochschule für Musik „Carl Maria von Weber“ in Dresden studiert hat und dorthin 1995 als Professor für Schlagzeug und Percussion zurückgekehrt war. „Bei einem Konzert mit dem Jazzer Klaus Lenz, es muss so 1967 gewesen sein, hatte mich Klaus angeschnauzt, ich würde spielen wie ,Baby’ Dodds“, so Sommer - und schmunzelt heute noch bei dieser Erinnerung. Für ihn sei der „Anranzer“ des anerkannten Jazzmusikers, der als Nestor der DDR-Jazz-Szene gilt, vielmehr eine Ehre gewesen. Seitdem kennt die Jazz-Welt den Schlagzeuger nur noch als Günter „Baby“ Sommer. Seinem Idol, wie vielen anderen seiner Wegbereiter auch, hat er übrigens auf seiner 1981 erschienenen CD „Dedication“ einen Titel gewidmet - sogar den ersten auf der Scheibe.

Urgestein des Schlagzeugspiels

Jetzt, nach über 40 Jahren, steht das Urgestein des Schlagzeugspiels wieder auf einer Bühne - und zwar in Halle. Für das Stück „In der Republik des Glücks“ konnte Regisseurin Martina Eitner-Acheampong den weltbekannten Drummer gewinnen. „Ich habe zugesagt, weil ich die Regisseurin selbst als begeisterte Jazz-Hörerin kenne. Und auch, weil ich mal wieder Lust auf Theater habe“, so der gebürtige Dresdner, der fünf Stücke eigens für die hallesche Inszenierung komponiert hat und natürlich auch selbst auf der Bühne trommeln wird.

Beim Lesen des Skripts, das offensive innerfamiliäre Streitigkeiten zum Fest der Liebe thematisiert, habe er sich zwar zunächst gewundert: über den sperrigen Text, über das Fehlen eines eindeutigen Handlungsstrangs. „Doch im Laufe der gemeinsamen Proben hier am NT ist ein interessantes Stück entstanden“, so Sommer, der des Lobes voll ist über Halles Schauspieler. „Viele beherrschen ja sogar ein Instrument“, staunt Sommer - und schrieb auch einen Titel für eine Gambe. Im „Republik“-Stück wird Sommer zum einen die eigenen Kompositionen spielen, zum anderen - er wäre nicht Free-Jazzer, wenn er es nicht täte - reichlich improvisieren. „Mit meinem Instrument will ich die musikalische Hängematte für die Schauspieler bereiten“, so der Drummer, der in früheren Zeiten mit spektakulären und teilweise provozierenden Aufführungen für Furore sorgte - auch in Halle. „In der Moritzburg hab ich mal ein Konzert abgebrochen, weil das Publikum laut und unaufmerksam war“, so Sommer.

Bekannt ist der Percussionist auch für seine exotischen Klangkörper, die er, dem üblichen Mangel in der DDR geschuldet, entweder selbst gebaut (aus Schrott, Regenrohren oder alten Orgelpfeifen) oder auf seinen weltweiten Tourneen auf Basaren erstanden hat. Bekanntlich hat Sommer, um das Publikum nicht mit seinem wilden Hantieren am Schlagzeug abzulenken, auf der Bühne hinter Tüchern getrommelt - und damit seine legendäre „Hör-Musik“ begründet. In Halle indes wird der selbst im Alter noch äußerst agile Drummer beim Trommeln zu sehen sein. Was ihn so fit hält, erklärt er auch noch: „Ich hab die guten Gene meiner 94-jährigen Mutter. Und ich mache jeden Tag Gymnastik. Eine Stunde lang volle Power.“ Alle Achtung, Günter „Baby“ Sommer! (mz)