Großalarm in Sachsenklinik Großalarm in Sachsenklinik: Massenpanik für Jubiläumsfolge von "In aller Freundschaft"

Leipzig - Es wird chaotisch. Dreckig. Und vor allem blutig. Aber das ist genau so gewollt in der fiktiven „Sachsenklinik“ in Leipzig, in der ich heute meine Schauspielerqualitäten beweisen soll.
Der MDR dreht hier die Jubiläumsfolge zu seinem Dauerbrenner „In aller Freundschaft“: 20 Jahre schon fiebern die Fans bei der Ärzte-Serie im Ersten mit, bis zu sieben Millionen Zuschauer schalten jeden Dienstagabend ein. 800 Fans hatten sich beworben, um einmal in ihrer Lieblingsserie mitzuspielen - 20 dürfen als Komparsen nun beim Dreh mitwirken. Und ich bin mittendrin.
Montag, acht Uhr in der Media City Leipzig. In dem großen Studiokomplex in der Südvorstadt wird auch die MDR-Talkshow „Riverboat“ produziert. Vor allem aber dient der Bau als Sachsenklinik. „Chirurgische Klinik - Haus B“ steht dauerhaft über dem Eingang. So einige Patienten standen hier schon vor den Glastüren und mussten ohne Behandlung wieder abziehen: Dass die Sachsenklinik kein echtes Krankenhaus ist, hat sich auch nach 20 Jahren Seriengeschichte nicht überall herumgesprochen.
Bei Festival bei Leipzig bricht Massenpanik aus
Ich aber werde heute tatsächlich behandelt, zum Glück aber nur vor der Kamera. Denn so wie im Drehbuch will ich in der Realität lieber nicht enden - blutüberströmt, geschockt und mit einer fetten Wunde auf der Stirn. Die Story: Bei einem Festival bei Leipzig ist eine Massenpanik ausgebrochen, Menschen trampeln übereinander, die Flucht über den Zaun endet bei manchen mit Holzpfählen im Bauch. Ausnahmesituation für das Team um Klinikchef Dr. Roland Heilmann, das sich nun um die Verletzten kümmern muss.
Doch bevor es blutig wird, heißt es für mich erstmal: schmutzig machen. Ich werde in „Festivalklamotten“ aus dem Kostümfundus gesteckt, dann bekomme ich künstlichen Dreck aus der Dose aufgetragen. Damit die Illusion der Massenpanik echt wird, muss auf jedes Detail geachtet werden. „Wenn du überall staubig bist, aber deine Fingernägel sauber sind, nimmt dir das keiner ab“, erklärt mir Martina Richter.
Die Maskenbildnerin zaubert mir gerade mit einer braunroten Paste eine dramatische Platzwunde auf die Stirn. Kunstblut. Ein halbes Dutzend verschiedene Sorten hat sie davon: arterielles Blut, venöses Blut, Nasenblut, stehendes Blut – je nachdem, welche Wunde ansteht. Ich bekomme „Krustenblut“ aufgepinselt. Der Geruch erinnert mich an den Besuch beim Zahnarzt. „Das kommt vom Alkohol“, sagt Richter. So soll die Fake-Wunde den ganzen Tag über halten.
Aus einem Funkgerät knarzen Anweisungen für die Stellprobe durch den Raum, die eine Etage unter uns läuft. In der Kantine der Sachsenklinik wird die erste Szene des Tages gedreht, Chefarzt Dr. Kai Hoffmann schwört sein Team auf die bevorstehenden Stunden ein. Wer von der Straße durch die Glastüren schaut, kann die Szene mitverfolgen - kaum irgendwo ist es so leicht, als Zuschauer einer Serie nahe zu kommen.
Erste Regel für Komparsen: Klappe halten
Nach der Maske heißt es warten. Zwischen Bierbänken und belegten Brötchen bestaunen meine Komparsen-Kollegen und ich gegenseitig unsere Wunden. Ein 1,80 Meter-Glatzkopf hat eine beeindruckende Schnittwunde auf dem Schädel, einer jungen Frau wird noch schnell ein Armbruch angedichtet. „Wichtig ist, dass ihr nicht lächelt und glückselig seid“, bereitet uns Elly Schneider von der Produktionsfirma auf die kommende Szene vor. Der Ton im Team ist locker, der Regisseur schaut noch kurz vorbei und scherzt: „Hört einfach auf das, was ich sage. Dann läuft das.“
Etwa hundert Menschen wuseln auf dem fiktiven Krankenhausflur herum: Ärzte, Schwestern, Rettungssanitäter, Verletzte, Kameramänner, Ton... Die Regieassistenz, eine junge Frau im grauen Mickey-Maus-T-Shirt, ruft Anweisungen durch den Raum, legt fest, wo Schauspieler und Komparsen zu stehen haben.
Erste Regel für die Komparsen: Klappe halten! Dann heißt es: „Aaachtung – bitte“ und die Kameras laufen: Mit Krankenschwester Kerstin neben mir vertiefe ich mich in ein stummes Gespräch. Sie stellt mir lautlos eine Frage - ich antworte lautlos. Schließlich soll der Dialog der Schauspieler glasklar zu hören sein. Das Stimmengewirr von Patienten und Pflegern wird später in der Tonabmischung einfach unterlegt. Ganz schön clever.
Mit 19 schon ein alter Hase am Set
„So viele Komparsen haben wir eher selten bei einem Dreh“, erzählt mir Thomas Rühmann, der seit 20 Jahren Serienliebling Dr. Heilmann spielt. Aus der Ruhe bringen lassen sich er und seine Schauspielkollegen davon nicht, auch wenn er zugibt: „Man braucht etwas mehr Nerven als sonst.“ Nerven brauchen aber auch die Komparsen heute. Lena Ludwig ist gerade mal 19 – aber unter den Komparsen so etwas wie ein alter Hase.
Seit einem Jahr dreht sie regelmäßig mit der Ärzte-Crew, war bereits um die 15 Mal am Set. Zu dem Nebenjob ist sie durch ihre Oma gekommen, die hier auch schon Komparsin war. Heute liegt Ludwig auf einer Trage und wird allein in drei Stunden Drehzeit Dutzende Mal aus dem Rettungswagen gehievt. „Schwere Atemnot und stumpfes Thorax-Trauma mit Verdacht auf Rippenserien-Fraktur“, rattert der Notarzt jedes Mal herunter, bevor Dr. Heilmann weitere Anweisungen gibt.
Nicht flüssig genug: „Alles auf Anfang“
In einem kahlen Nebenraum hockt Regisseur Mathias Luther auf einem Klappstuhl und schaut konzentriert auf die Bildschirme vor sich. Er lässt die Szene durchlaufen, zufrieden sieht aber anders aus. Das lief ihm nicht flüssig genug. „Alles auf Anfang“, ruft er und die Schauspieler gehen wieder in Position. Sie kennen das schon. Bis die rund einminütige Szene im Kasten ist, braucht es bis zu 15 „Takes“, also Aufnahmen. An einem Drehtag entstehen rund zehn Minuten Serienmaterial.
Wie viel Arbeit hinter so einer Produktion steckt, weiß auch Marie-Sophie Eckert. Die 25-jährige Studentin war als Komparsin schon in den Kinofilmen „Bibi und Tina“ und „Zorn“ zu sehen. Für den halleschen Krimi, bei dem ein Opfer im Nordbad auf dem Sprungturm verbrennt, hat sie bei 12 Grad Celsius im Oktober über fünf Stunden im Bikini ausgeharrt - um dann für gerade einmal eine Sekunde im Bild zu sehen zu sein. Gelohnt hat es sich für sie trotzdem, sagt sie. „Man sieht Filme und Serien danach aus einer anderen Perspektive.“ Das tue ich jetzt definitiv auch. Wie sich die Komparsen geschlagen haben, das ist am 23. Oktober im TV zu sehen. (mz)

