Graffiti Graffiti: Tommy - ein Fall von vielen
Halle/MZ. - "Ja, das sieht nicht schön aus, ich will es wieder gut machen. So was kommt nicht wieder vor", beteuerte Tommy (Name geändert) im August vergangenen Jahres vor einer Jugendrichterin am Amtsgericht Halle.
Der 19-jährige Hallenser war fast ein Jahr zuvor, im September 2000, zufällig dabei beobachtet worden, wie er an einem Stromkasten das Kürzel OMF mit einem dicken Eddingstift aufmalte. Pech für den Schmierer: Der Zeuge war ein Beamter des Bundesgrenzschutzes, der im Privatwagen vorbeikam. Von Amts wegen zeigte der Beamte den Heranwachsenden an, die Energieversorgung Halle stellte Strafantrag und bezifferte den Sachschaden auf rund 500 Euro.
Vor der Polizei räumt Tommy - nicht zuletzt wegen des Augenzeugen - die Tat ein. Was OMF bedeuten soll, wird er von den Beamten gefragt: "Das hat keine Bedeutung, das ist nur mein Name." In dem Verhör werden Tommy auch andere, ähnliche Schmierereien vorgehalten, die aber eher wie EMF aussehen. Dass er damit etwas zu tun habe, bestreitet Tommy. Im Mai 2001 erhebt die Staatsanwaltschaft Anklage, doch am Amtsgericht hat sich eine Zuständigkeitsänderung ergeben. So kommt es erst im August 2001 zur Verhandlung.
Bereits 1999 und 2000 hatte Tommy drei Verfahren wegen Graffiti-Aktionen hinter sich - in allen Fällen wurden die Akten zugeklappt, nachdem Tommy Arbeitsstunden abgeleistet hatte. Laut dem Bericht der Jugendgerichtshilfe hat der junge Mann seinen Realschulabschluss gemacht und danach eine Lehre begonnen. "Tommy ist mit Regeln und Normen aufgewachsen", so die Mitarbeiterin des Jugendamtes.
In dem neuen Prozess wird Tommy erneut nur verwarnt und soll 30 Stunden gemeinnützige Arbeit ableisten. Wohlwollend lobt die Richterin im Urteil: "Tommy ist zwar mehrfach einschlägig in Erscheinung getreten, aber seit der Tat vor fast einem Jahr hat er keine Straftaten mehr begangen. Außerdem hat er sich mit seinem Fehlverhalten auseinandergesetzt."
Doch drei Monate später muss die Richterin feststellen, dass Tommy seine Arbeitsstunden noch immer nicht abgeleistet hat. Wegen Ungehorsams droht sie ihm in November 2001 Jugendarrest an, Ende November wird Beugearrest verhängt. Aber den wird Tommy nicht absitzen - es gibt keinen freien Platz dafür in der Jugendanstalt. Zur gleichen Zeit hat Tommy neue Bekannte gefunden. In einer anderen Stadt fällt er mit sechs anderen der Polizei auf - beim Sprayen eines großen Graffitis, in der Szene "Bombing" genannt. EMF ist in großen Lettern auf der Rückfront eines Hauses zu lesen. Mehrere der verdächtigten Jugendlichen legen bei der Polizei ein Geständnis ab. "Ich weiß, dass Graffiti verboten ist, aber ich brauchte den Kick", erklärt einer von ihnen. Und er weiß auch, was EMF bedeutet: Endlos Mauern färben.
Das Verfahren gegen Tommy wird von der dortigen Staatsanwaltschaft abgetrennt und von der halleschen Anklagebehörde im Mai 2002 übernommen. Doch obwohl die Akte bereits der Jugendrichterin vorliegt, kann noch kein Termin zu einer Verhandlung anberaumt werden. Denn zwischenzeitlich wird Tommy per Haftbefehl gesucht, weil er zu einer Gerichtsverhandlung wegen eines Diebstahls nicht erschienen ist.