Gräberfelder zwischen Halle und Erfurt Gräberfelder zwischen Halle und Erfurt: Tausende Knochenfunde an der ICE-Trasse

Halle (Saale) - Wer mit dem ICE auf der 2017 fertiggestellten Strecke in Richtung Erfurt oder weiter (in schlappen drei Stunden) nach München düst, ahnt wohl kaum, auf welch geschichtsträchtigem Gebiet er als Reisender unterwegs ist: 400.000 Fundstücke haben Archäologen entlang eines 64 Kilometer langen Teilstücks zwischen Jüdendorf und Gröbers im Süden Sachsen-Anhalts aus dem Boden geborgen.
Reste eines eiszeitlichen Mammuts gehören ebenso dazu wie bronzezeitliche Funde: Skelettfunde in einer Siedlungsgrube bei Karsdorf zum Beispiel, ein gut erhaltener prähistorischer Weg bei Oechlitz oder - mit einem Schädel und einer Hand - ein Opferfund bei Oberwünsch.
ICE-Trasse führt am „Feldherrenhügel“ bei Bad Lauchstädt vorbei
Lange bevor für das „Verkehrsprojekt Deutsche Einheit Nr. 8“ die Bautrupps mit schwerem Gerät vor Ort anrückten, waren die Archäologen am Zuge, um wertvolle Zeugnisse der Vergangenheit zu sichern und zu bergen. Ja, sogar lange noch vor den Planungen. Denn die ersten archäologischen Arbeiten durch das Landesamt für Denkmalpflege und Archäologie in Kooperation mit der Deutschen Bahn AG wurden bereits in die Streckenplanung mit einbezogen.
Soweit, dass die Streckenführung Rücksicht nimmt auf eine archäologische Besonderheit: den weithin sichtbaren „Feldherrenhügel“ bei Bad Lauchstädt. „Daran wurde die ICE-Strecke vorbeigeführt“, so Matthias Becker vom Landesamt für Denkmalpflege und Projektleiter der archäologischen Grabungen. Dank zahlreicher Luftaufnahmen habe man schon lange vor Baubeginn die Lage einzelner Bodendenkmale feststellen können, ergänzt Bahnsprecher Frank Kniestedt.
Archäologen und Deutsche Bahn arbeiteten eng zusammen
Begonnen wurde mit den eigentlichen Grabungen 1994. Bis 2013 waren etappenweise bis zu 150 Mitarbeiter in acht Grabungsteams flächendeckend mit Ausgrabungen beschäftigt. „Dank der hervorragenden Zusammenarbeit zwischen Archäologen und der Deutschen Bahn gab es im gesamten Ablauf weder Verzögerungen noch größere Komplikationen“, so Kniestedt. „Teilweise“, sagt er, „liefen die Grabungsarbeiten und der Trassenbau parallel“. Baufreiheit sei jederzeit vorhanden gewesen, so Kniestedt, der die Kosten für die Sicherung der Bodendenkmale auf insgesamt zwölf Millionen beziffert.
Archäologen machten 15.000 Funde entlang der ICE-Trasse
An insgesamt 27 Fundstellen mit einer Fläche von insgesamt 140 Hektar wurde entlang der Trasse im südlichen Sachsen-Anhalt gegraben, ungefähr 15.000 Funde wurden dokumentiert und sind nach einer ersten Veröffentlichung 2012 nun in einer weiteren Publikation vom Landesamt für Denkmalpflege in einem Doppelband herausgegeben worden.
Die interessantesten Funde sind in der Dauerausstellung des Landesmuseums für Vorgeschichte zu sehen. So beispielsweise ein bei Oechlitz, einem Ortsteil von Mücheln im Saalekreis, nachgewiesener mittelbronzezeitlicher Altweg aus der Zeit um 1500 v. Chr. Der freigelegte einstige Überlandweg für den Personen- und Handelsverkehr verlief in etwa in der gleichen Richtung wie die heutige ICE-Trasse und ist mit 300 Metern der längste archäologisch verfolgbare Altweg in der Region.
In den parallelen Rinnen, in denen laut Messungen Fuhrwerke mit einer Spurweite von 1,10 bis 1,20 Meter unterwegs gewesen sind, haben Archäologen zudem zahlreiche Bronzeobjekte wie Gewandnadeln und Gefäße gefunden. Teile des Altweges wurden als Blockbergung in das Landesmuseum gebracht und werden nun im Museum präsentiert. (mz)

