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Glaube und Religion Glaube und Religion: Reden über Gott und die Welt

Von Martin Schramme 12.09.2001, 17:59

Halle/MZ. - Clubraum in der Jugendfreizeiteinrichtung "Wasserturm": Quatschen, rauchen, Musik hören und auf dem Ledersofa abhängen - das ist cool und Kirche absolut kein Thema. "Kirche ist was für alte Leute." Glaube? - "Ich glaube an mich." Religionsunterricht? - "Nee danke, kein Interesse."

Kirche ist out im Osten. Erst recht unter Jugendlichen. Kein Wunder: Viele wissen nichts über Kirche. Allenfalls sehen sie im Fernsehen den Papst im gepanzerten Glaskasten. Doch nicht alle haben der Kirche den Rücken gekehrt. Zum Beispiel Maria, Jule, Solveig, Judith, Joseph und Daniel. Sie gehören zum Helferkreis der katholischen Heilig-Kreuz-Gemeinde in der Gütchenstraße und organisieren Jugendveranstaltungen. Sie treffen sich regelmäßig. Nein, nicht nur zum Beten.

Was verbinden sie mit Kirche? Warum gehen sie dahin? Und woran glauben sie? "Ich komme nicht in die Kirche als Institution, sondern als Gemeinschaft", sagt Solveig. Die 27-Jährige ist, wie die meisten aus der Runde, mit Kirche groß geworden. Sie ist katholisch. Aber den Prunk in katholischen Kirchen findet sie nicht gut. Gott ist für sie eine positive Kraft, und die Liebe. Joseph - er ist mit 15 Jahren hier der Jüngste - weiß indes nicht so recht, woran er glaubt. Er schätzt die Kirche als Ort der Ruhe. "Hier bin ich groß geworden, hier kenne ich Leute." Auch Daniel kommt aus freien Stücken zu den Runden mit Gemeindereferent Karl-Heinz Kindl. Mit dem könne man die Probleme dieser Welt ganz gut bereden, aber auch viel Spaß haben. "Wenn das nur meine Eltern wollten, hätte ich keinen Bock auf Kirche", ist sich Daniel seiner Motivation sicher.

Die Jugendlichen sind sich einig, dass sie am liebsten unter Gleichaltrigen sind. Jule hat nicht nur deshalb ganz gut Anschluss gefunden. Dabei ist die 16-Jährige gar nicht in der Kirche, ihre Mutter ausgetreten. Doch die Jugendarbeit der Heilig-Kreuz-Gemeinde gefällt ihr. Regemäßig stehen andere Themen auf dem Programm: Euro, Bombay, Zivilcourage oder Mensch-Ärgere-Dich-Nicht. Das stärkt die Gruppe und den Grips. Und die Jugendlichen, die das Angebot annehmen, sind mindestens genauso verschieden wie jene, die mit Kirche und Glaube nichts am Hut haben.

"Das ist Gewöhnungssache", sagt die 16-jährige Judith, wenn sie gefragt wird, warum sie in die Kirche geht. Sie ist so aufgewachsen und doch zweifelt sie oft am Glauben. Die gleichaltrige Maria erzählt derweil als einzige in der Runde, dass sie mit Tisch- und Abendgebeten sowie Kirchgängen aufgewachsen ist. Rosenkranz und Beichte aber sind auch für sie angestaubte Relikte der Vergangenheit. "Probleme soll man mit den Betroffenen selbst ausmachen", findet Maria. Sie höre bei schwierigen Entscheidung in sich hinein. Die Antwort auf ihre Fragen aus dem Unterbewusstsein, das ist für sie Gott.