Gespräch mit Oberstaatsanwalt Andreas Schieweck Gespräch mit Oberstaatsanwalt Andreas Schieweck: Warum der Metro-Killer ihn immer noch beschäftigt

Halle (Saale) - Groß ist es nicht, das Büro von Oberstaatsanwalt Andreas Schieweck im Justizzentrum Halle. Persönliche Dinge gibt es nur wenige, dafür eine Unmenge an Akten auf dem Schreibtisch oder in Regalen. Immerhin: An der Wand hängt ein Plakat vom Mansfelder Land. „Ich bin dort geboren und fühle mich noch immer als Mansfelder“, sagt der 60-Jährige, der mittlerweile im Saalekreis wohnt.
26 Jahre war Schieweck als Pressesprecher die Stimme und das Gesicht der Behörde in Halle mit ihren 50 Staats- und Amtsanwälten. Ende des Jahres gibt Schieweck die Öffentlichkeitsarbeit ab. „Ich habe gern über unsere Fälle informiert. Aber es ist Zeit, dass die Aufgabe ein anderer übernimmt“, sagt er.
Ein Staatsanwalt hat viel zu tun, das bringt die Kriminalitätslage auch im Süden Sachsen-Anhalts mit sich. 50 bis 60 Verfahren muss ein Staatsanwalt monatlich bearbeiten. Die Amtsanwälte, die sich mit den weniger schweren Delikten befassen, haben pro Monat sogar 130 bis 140 Fälle auf dem Tisch. „Dahinter stehen viele persönliche Schicksale, die einem unter die Haut gehen. Deshalb ist es wichtig, dass man sich in diesem Job eine Hornhaut für die Seele zulegt und die Fälle nicht so nah an sich heranlässt.“
Seit 1980 Staatsanwalt
Seit 1980 ist Schieweck Staatsanwalt, seit 15 Jahren Oberstaatsanwalt. Er hat sich professionell mit seiner Rolle arrangiert. Aber es klappt nicht immer mit der inneren Mauer. „Sind Kinder betroffen, dann geht es mir unter die Haut. Vor allem bei sinnlosen Taten, wenn Mütter so verzweifelt sind, dass sie ihre Babys töten, statt sie im Krankenhaus in eine Babyklappe zu legen“, sagt Schieweck, der in der Staatsanwaltschaft Halle ein Dezernat für allgemeine Kriminalität leitet.
Eine Pressemitteilung hätte der Oberstaatsanwalt gern noch veröffentlicht: Der Metro-Mörder Norman Franz ist gefasst und kann endlich vor Gericht gestellt werden. Im Juli 1997 hatte der damals 27-Jährige vor der Metro in Peißen zwei Geldboten kaltblütig erschossen und war mit damals 500.000 D-Mark geflohen. Zwar konnten Zielfahnder den Doppelmörder 1998 in Portugal aufspüren, doch Franz gelang erneut die Flucht. „Mord verjährt nicht. Und so bleibt es das Ziel, Franz zu fassen, damit er seiner gerechten Strafe nicht entkommt“, so Schieweck.
Es ist nicht das einzige Kapitalverbrechen, das auch zwei Jahrzehnte nach der Tat noch immer die Ermittler beschäftigt. Im Dezember 1996 hatten zwei Unbekannte einen Sicherheitsdienst am Zentrallager von Porta in Sietzsch bedroht. Die beiden Mitarbeiter der Security-Firma sollten Bargeld und Schecks in Höhe von 1,1 Millionen Euro aus dem Tresorraum holen. Die maskierten Angreifer überraschten ihre Opfer, die Lage eskalierte.
Schrotladung ins Gesicht
Einer der Wachmänner wurde von der Schrotladung aus einer Waffe im Gesicht getroffen und starb kurze Zeit später im Krankenhaus. „Wir hatten seinerzeit zwar zwei Verdächtige im Auge. Allerdings ist es nicht gelungen, ihnen die Tat nachzuweisen.“ Mit ihrer Beute sind die Täter seitdem untergetaucht. Die Ermittlungen selbst ruhen, werden aber aufgenommen, sobald es neue Hinweise in dem Fall gebe.
Was das Kriminalitätsgeschehen angeht, so Schieweck, sei die Lage im Raum Halle vergleichbar mit der in anderen Regionen. „Wir leben hier nicht gefährlicher als anderswo. Natürlich muss man zwischen der Stadt Halle und dem ländlichen Raum unterscheiden.“ Ein Schwerpunkt sei die Beschaffungskriminalität, etwa bei Kellereinbrüchen. Hier suchen die Täter gezielt nach Waren, die sie verscherbeln können, um beispielsweise Drogen zu kaufen. Im Kommen sei zudem die Internetkriminalität. „Hier stoßen wir an Grenzen. Oft werden diese Taten im Ausland geplant und von dort aus auch durchgezogen. Da ist es schwer bis unmöglich, an die Täter zu kommen.“
Die Kunst, gegenüber der Presse genug, aber nicht zu viel zu sagen, wird nun ein anderer Staatsanwalt übernehmen. Wer es ist, soll sich noch vor Silvester entscheiden. Den Namen wird Andreas Schieweck bekanntgeben. Als letzte Amtshandlung, bevor „nur“ noch die Aktenberge auf ihn warten. (mz)