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Gemeinsam gegen den Ärger Gemeinsam gegen den Ärger: Warum die Bewohner des Marthahauses bunte Fliesen bemalen

Von Robert Prellwitz 29.08.2019, 13:30
Erika Thomas (links) und Dorothee Fuchs zeigen ihre liebsten Fliesen.
Erika Thomas (links) und Dorothee Fuchs zeigen ihre liebsten Fliesen. Silvio Kison

Halle (Saale) - Sichtlich vertieft bemalt die 81-jährige Erika Thomas ihre nächste Fliese. Sie ist so konzentriert, dass sie kaum Zeit hat, ein paar Fragen zu beantworten. „Ich arbeite gerade an einem Lebensbaum“, erklärt sie nur ganz knapp. Zwölf Kacheln habe sie schon bemalt, sagt sie stolz. Erika Thomas beteiligt sich am Workshop des Marthahauses, bei dem die Bewohner der sozialen Einrichtung seit rund acht Monaten Wandfliesen bemalen können.

Bewohner bemalen bunte Fließen gegen Graffiti am Marthahaus

Mit dem Projekt will die Stiftung Marthahaus das Gemeinschaftsgefühl der Bewohner stärken. „Wir sehen uns im Haus als eine Gemeinschaft und wir sind immer wieder auf der Suche, um diese zu befördern“, sagt die Sozialpädagogin Dorothee Fuchs. Der Workshop hat aber noch einen anderen Hintergrund. Seit längerer Zeit hat das Marthahaus Probleme mit Graffitimalereien an den eigenen Hauswänden. Besonders für die Bewohner ist das eine Last. „Für viele von unseren älteren Bewohnern ist das Graffiti an den Hauswänden nur schwer zu ertragen“, sagt Fuchs. Mit den Fliesen, die an die Hauswände angebracht werden, versucht das Marthahaus gegen das Graffiti vorzugehen.

Zehn bis 15 Bewohner nehmen an dem wöchentlichen Kurs teil, der von der Künstlerin Beate Gödecke betreut wird. Dabei entstehen jede Woche neue Fliesen, die an die Hauswand angebracht werden und die Bewohner stolz machen. „Wir merken, dass es den Bewohnern sehr viel bedeutet, ihre Werke an der Hauswand zu sehen, wo sie auch von anderen besichtigt werden können“, erklärt Fuchs. Für die 43-Jährige zählt aber auch noch ein ganz anderer Aspekt: „Es fasziniert mich, zu sehen, was für ein Potenzial in den Menschen steckt. Und dass dabei noch so eine schön gestaltete Wand entsteht, ist einfach super“, erzählt Fuchs freudig.

Keine Langeweile: Kochen mit Migranten und Schreibzirkel im Marthahaus

Eine weitere Kursteilnehmerin ist die 78-jährige Brigitte Sieb. Sie fällt auf, da sie die Einzige in der Runde ist, die nicht malt. „Ich kann nicht zeichnen, deswegen flechte ich lieber Körbe“, sagt sie. Brigitte Sieb lebt seit 2012 im Marthahaus. Früher hat sie in der Nähe des Marthahauses in einem Friseursalon gearbeitet, erzählt sie. Auch Brigitte Sieb ist sehr angetan von dem neuen Projekt. Aber auch wenn die eigene Hauswand einmal voll sein sollte mit Fliesen, brauchen sich die Bewohner keine Sorgen zu machen.

Langeweile kommt im Marthahaus nicht auf. Neben dem Fliesenprojekt gibt noch weitere Angebote im Haus: Die Anwohner können in einem Schreibzirkel ihrer Kreativität freien Lauf lassen, oder zusammen mit Migranten kochen und dabei neue Erfahrungen sammeln. „Was aber als nächstes künstlerisches Projekt folgt, dass wird sich noch zeigen“, so Sozialpädagogin Dorothee Fuchs. (mz)

Zur Vorbereitung der Muster auf den Fliesen wird auch mal ein Glas benutzt.
Zur Vorbereitung der Muster auf den Fliesen wird auch mal ein Glas benutzt.
Silvio Kison