Fußball Fußball: Zwei Hattricks in einem Spiel
Ostrau/MZ. - Nach zwei Wochen in Ostrau fällt es Esmir Jusic noch schwer, sich mit seinen neuen Teamkollegen zu verständigen. Deutsch spricht der Bosnier noch nicht. Also ist jede Lektion willkommen. Und so gab es am Sonnabend gleich die erste Deutschstunde im Kreis der Mannschaft. Paragraf neun im Strafenkatalog: Wer einen Hattrick schießt, gibt eine Kiste Bier.
Es war also ein teures Wochenende für Jusic. Der 19-jährige Neuzugang schoss am Wochenende in seinem zweiten Spiel für die LSG Ostrau nämlich alle sechs Tore zum 6:1-Sieg über den SV Kelbra. "Genau dafür", sagt Trainer Fari Kadic, "haben wir Esmir geholt. Der Junge hat richtig was drauf. Er hat sogar mal in der bosnischen Jugendnationalmannschaft gespielt."
Kadic stammt ebenfalls aus Bosnien. Schon seit längerem hielt er Kontakt zu dem Jung-Talent aus dem Balkan. In der Winterpause schlug er dann zu und holte Jusic vom bosnischen Zweitligisten NK Ilija - dem gemeinsamen Heimatort von Trainer und Schützling.
"Auf Reisen in die Heimat fiel mir das Talent des Jungen auf", erinnert Kadic, der selbst Anfang der 90er Jahre nach Deutschland kam. "Ich kenne Esmirs Mutter sehr gut. Immer wenn ich in der Heimat war, habe ich sie besucht und die Karriere von Esmir verfolgt." Und die kam mehr und mehr in Fahrt. Für den Sommer, erzählt der Trainer, habe Jusic Erstliga-Angebote aus Bosnien und Tschechien. "Ich würde aber lieber woanders spielen", übersetzt Kadic für den jungen Bosnier. Also holte ihn der Ostrau-Coach für einige Monate in den Saalekreis. "Esmir möchte sich hier anderen Vereinen präsentieren, wenn ihn ein höherklassiger Verein haben will, haben wir natürlich nichts dagegen."
Bosnischer Fußball am Boden
Jusics Mutter blieb in Ilija. Mit nach Deutschland begleiteten ihn dagegen zwei Mannschaftkollegen des Heimatclubs, der Torhüter Amel Kozic und der Verteidiger Tarik Bajramovic, die von nun an ebenfalls für Ostrau in der Landesklasse Staffel 4 spielen. Und das, laut Kadic, alles ohne Ablösesumme und Amateurvertrag, dafür jedoch mit dem Traum vom bezahlten Fußball.
"Der bosnische Fußball ist finanziell am Boden. Die Spieler können da nichts verdienen", sagt Kadic. Ob Sachsen-Anhalts Landesklasse allerdings das ganz große Sprungbrett für Esmir Jusic wird, bleibt abzuwarten. Zunächst wohnt der Torjäger bis zum Saisonende beim Trainer. "Die Jungs ticken ganz anders", erzählt Kadic. "Das fängt beim Müll-Trennen an und hört beim Abendessen auf." Denn als Moslems dürfen die Kicker vom Balkan zum Beispiel kein Schweinefleisch essen. Was Kadic jedoch nicht daran hinderte, die drei Neuzugänge gleich zum Mannschaftsessen einzuladen.
Trainer als Dolmetscher
"Man versteht sich irgendwie", sagt Kadic über den neuen Mannschaftsalltag, in dem er seit zwei Wochen die Rolle des Dolmetschers spielt. "Entweder mit etwas Englisch und etwas Russisch oder eben mit Händen und Füßen." Ganz unvorbereitet war das Ostrauer Team nicht auf die Transferwelle aus dem Balkan, denn als die kurzfristige Verpflichtung im Dezember feststand, beschnupperten sich die Spieler schon gegenseitig über Facebook. Wenn man dem Trainer glauben darf, gibt es keinen Futterneid innerhalb der Mannschaft. Immerhin kletterte Jusic mit seinem Sechserpack in der vereinsinternen Torschützenliste direkt auf Platz drei. "Über so einen starken Neuzugang können wir nur froh sein", so Kadic.
Der Trainer ist überzeugt, dass Jusic noch viel mehr zeigt. Zum Schluss stichelt er noch scherzhaft in Richtung des restlichen Ostrau-Sturms: "Ich gebe ihm noch zwei-drei Spiele, dann steht er ganz oben auf unserer Torjägerliste."