1. MZ.de
  2. >
  3. Lokal
  4. >
  5. Nachrichten Halle
  6. >
  7. Frühaufsteher bei Wind und Wetter

Frühaufsteher bei Wind und Wetter

Von Heidi Pohle 20.08.2008, 15:58

Halle/MZ. - Seit drei Uhr ist Uwe Wichert auf den Beinen. Er hat in Leipzig frische Ware eingekauft und baut nun seinen Stand auf dem halleschen Markt auf - kurz nach sechs. Fast menschenleer sind um diese Zeit Platz und Boulevard. Nur wenige Passanten eilen vorbei, und die Radfahrer haben noch freie Bahn. Eine Palette nach der anderen holt Wichert aus seinem Lkw, setzt Gestelle für die Obst- und Gemüsekisten zusammen. Der Mann steht keine Sekunde still; er rennt, hebt, schleppt, schraubt - es gibt noch viel zu tun an diesem Morgen. Wie jeden Tag, sechsmal in der Woche, bei Wind und Wetter.

Sein Nachbar Hans-Werner Strohm, hat einen anderen Rhythmus - er baut erst auf und holt dann die Ware. Ab und zu wirft Uwe Wichert einen Blick auf den verwaisten Stand: "Wir sind zwar Konkurrenten, helfen uns aber trotzdem."

Während eine Kehrmaschine den Markt fegt, geht es auch bei Blumen-Oeser rund. Der Chef, Roy Oeser, ist seit sechs Uhr mit einer Verkäuferin bei der Arbeit. Gut ein Dutzend mannshohe Paletten wollen erst mal abgeladen sein. "Trödeln ist da nicht drin", sagt er und platziert einen Blumenkübel - Sommer-Astern und Rosen sind derzeit die Renner.

Kurz vor sieben kommt Thomas Thrum an. Mit geübtem Griff wirft er eine rot-weiß gestreifte Plane über ein Gestell und zwickt sie mit Klammern fest - der Wind weht frisch an diesem Morgen. Thrum ist seit 5.30 Uhr unterwegs. "Ich komme aus Rüdersdorf bei Gera", erzählt der 47-Jährige, der viermal pro Woche um 3.15 Uhr aufsteht

und erst gegen 20 Uhr wieder zu Hause ist. Thrum, erst Bergmann, dann Straßenbauer und nun Verkaufsfahrer, hat Brot, Brötchen und Kuchen einer Großbäckerei mitgebracht.

Seine erste Kundin bedient er schon, obwohl noch gar nicht alles aufgebaut ist. "Fünf Brötchen, bitte", so Gisela Schymura, "die schmecken so gut." Die Stuttgarterin ist zu Besuch bei ihrem studierenden Sohn. Den will sie nun mit einem Frühstück verwöhnen. "Stimmt so", sagt sie und drückt Thrum Geld in die Hand.

Ein paar Meter weiter wird derweil der Wagen vom Fischhandel Metzschke startklar gemacht. Und Roswitha und Peter Henke aus Halle beginnen, ihren Spreewald-Stand aufzubauen - jeden Moment erwartet das Ehepaar den Lieferanten.

Mittlerweile zeigt die Uhr am Stadthaus 7.30 Uhr an, als Silke Fiddecke den Markt ansteuert. Seit einem Jahr verkauft die junge Frau jeden Mittwoch aus einem mobilen Laden all das, was in der Hofmolkerei Bennewitz bei Torgau produziert wird - Milch, Butter, Quark, Joghurt und Käse. Es habe eine Weile gedauert, bis die Hallenser das Sortiment angenommen haben. "Aber nun läuft es ganz gut", meint sie.

Um diese Zeit machen Frank und Gerald Ebers eine erste Kaffee-Pause. Die beiden sind Schwiegersohn und Schwiegervater - Frank hat den Namen seiner Frau angenommen. Sie bauen den Obst- und Gemüsestand für Markthändler Jürgen Busse auf, der noch Ware zusammenholt. Die Ebers-Männer sind ein eingespieltes Team, da fallen nicht viele Worte. Gerald Ebers hat mit dem frühen Tagesbeginn keine Probleme. Er steht um 3.45 Uhr auf, geht erst mit dem Hund runter und steigt dann in der Südstadt in die S-Bahn. Gegen 12 Uhr fährt der frühere Buna-Schichtarbeiter, der lange ohne Job war und nun ein Praktikum absolviert, nach Hause. Am frühen Abend ist er beim Abbau dann wieder da.

Michael Gödicke und Claudia Kusch haben zu diesem Zeitpunkt schon dutzende Kunden bedient - aus dem gelben Wagen der Bäckerei Griebel (Südstadt) heraus. Claudia sieht ein wenig müde aus; gerade mal ein paar Wochen ist sie Azubi in der Bäckerei und muss sich an vieles erst noch gewöhnen. "Ich lerne sie im Verkaufswagen an", sagt Michael mit ein bisschen Stolz in der Stimme - immerhin ist er schon im dritten Lehrjahr. Er habe am Morgen erst in der Backstube geholfen, bevor er in aller Herrgottsfrühe auf den Markt ging. "Um 10 Uhr ist aber Feierabend", sagt er, dann lege er sich ein paar Stunden hin.

Jetzt ist auch Obsthändler Jürgen Busse eingetroffen. Pflaumen aus Höhnstedt, Kartoffeln und Tomaten aus Büschdorf - er versucht, so viele regionale Produkte wie möglich anzubieten. Der 65-Jährige, von Beruf Elektromeister, ist seit 18 Jahren Markthändler - "mit Leib und Seele", wie er sagt. Und ans Aufhören denke er noch lange nicht. Busse mag den direkten Kontakt mit den Kunden. Und für so manchen sei er schon mal "Seelendoktor".