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Flüchtlingsunterkunft in Halle Flüchtlingsunterkunft in Halle: Was aus den früheren Maritim-Mitarbeitern geworden ist

Von Gert Glowinski 08.07.2016, 04:00
Das ehemalige Maritim-Hotel von hinten: Das Restaurant „Le Petite“ gibt es natürlich nicht mehr.
Das ehemalige Maritim-Hotel von hinten: Das Restaurant „Le Petite“ gibt es natürlich nicht mehr. Günter Bauer

Halle (Saale) - Aus den Medien hatten die mehr als 60 festen Mitarbeiter des Maritim-Hotels im letzten Herbst erfahren, dass es ihr Hotel bald nicht mehr geben soll. Die Betreibergesellschaft der Hotel-Kette wollte das Haus am Riebeckplatz loswerden, da kam die Flüchtlingskrise. Das Land Sachsen-Anhalt suchte händeringend nach geeigneten Unterbringungsmöglichkeiten für den Winter und nahm das Angebot dankend an. Für die meisten Mitarbeiter bedeutete der Millionen-Vertrag zwischen Land und Maritim, dass sie sich einen neuen Job suchen müssen. Aber wie geht es den ehemaligen Angestellten von Halles größtem Hotel? Haben sie wieder Arbeit gefunden und wenn ja, wo?

Angst vor Missgunst

Bei der Wasser- und Stadtwirtschaft HWS in Halle zum Beispiel. Das Unternehmen gehört zum kommunalen Stadtwerkekonzern, der Tausende Mitarbeiter hat. Einer der Maritim-Leute ist jetzt dort. Es gehe ihm ganz gut, lässt er ausrichten. Im Einkauf arbeitet er jetzt und verstärkt, zunächst befristet für ein Jahr, den Bereich Gebäudereinigung. Ins Detail will der Mann nicht gehen. Er habe Bedenken, dass diejenigen, die nicht so viel Glück hatten wie er, dann sauer auf ihn sind. Ein Artikel über ihn in den Medien sei da sicher nicht das Richtige, ist die Antwort auf eine Gesprächs-Anfrage der MZ.

Fast alle Maritim-Mitarbeiter in Lohn und Brot

Dabei haben etliche ehemalige Maritim-Mitarbeiter tatsächlich wieder Arbeit gefunden. Nicht im Hotel-Gewerbe oder gar an anderen Standorten ihre bisherigen Arbeitgebers. Stattdessen vor allem in der Dienstleistungsbranche und im Gastro-Bereich. Von allen Festangestellten, die aus Halle kamen, wurden 32 in ein Arbeitsverhältnis oder in eine Berufsausbildung vermittelt. Lediglich sechs vom Maritim-Personal sind noch arbeitssuchend, eine Frau ist in Weiterbildung und eine in Elternzeit. Drei Menschen sind derzeit krankgeschrieben. Was aus den restlichen acht Ex-Maritimlern wurde, das kann auch Halles Arbeitsagentur nicht genau sagen. Sie tauchen in der Statistik nicht auf. Wahrscheinlich sind sie weggezogen, dorthin, wo sie möglicherweise besser Arbeit finden.

Stadt unterstützte Arbeitssuchende maßgeblich

Dennoch ist Tatsache, dass die große Mehrzahl der Maritim-Leute wieder in Lohn und Brot ist, ein Erfolg. Bei der Vermittlung sei eng zusammengearbeitet worden. Stadt, Agentur für Arbeit und kommunale Unternehmen hätten sich an einen Tisch gesetzt, sagt Arbeitsagentur-Chefin Petra Bratzke. Auch habe man mit dem Betriebsrat eng zusammengearbeitet. Bewerberprofile seien sehr schnell aufgenommen worden, um so nach neuen Stellen für die Betroffenen zu suchen.

Der Vertrag zwischen dem Land Sachsen-Anhalt und der Maritim-Gesellschaft wurde für drei Jahre abgeschlossen und läuft demnach bis 2018. Drei Millionen Euro im Jahr kostet das Land allein die Miete für das in die Jahre gekommene Gebäude.

Die Auslastung des Maritims als Flüchtlingsunterkunft ist derzeit nur gering. Zu Spitzenzeiten beherbergte das alte Hotel über 600 Menschen. Aktuell sind es gerade mal etwas mehr als 100. Dennoch hält das Land fest an dem Gebäude als Unterkunft. Das Land nutzt das Maritim als Zwischenlösung - solange bis für die Menschen eine dauerhafte Bleibe in einer Stadt in Sachsen-Anhalt gefunden wurde. Aktuell gibt es in Erstaufnahmeeinrichtungen landesweit rund 5.100 Plätze - nur ein geringer Teil davon wird derzeit auch tatsächlich benötigt.

Der Maritim-Vertrag soll nach MZ-Informationen trotz der geringen Auslastung nicht vorzeitig gekündigt werden. Das Gebäude spielt in der Asyl-Strategie des Landes offenbar weiter eine große Rolle. Was danach aus dem Plattenbau an Halles verkehrsreichstem Platz wird, ist offen. Dass es Probleme mit einem wirtschaftlichen Hotel-Betrieb gab, zeigt, dass die Maritim-Gesellschaft bereits im letzten Jahr angezeigt hatte, dass der Hotelbetrieb ohnehin aufgegeben werden sollte. In dem Haus gab es einen großen Sanierungsstau. Die knapp 300 Zimmer des 1966 eröffneten ehemaligen Interhotels sind nach Auskunft seines früheren Chefs Bertram Thieme letztmalig Anfang der 90er Jahre umfassend hergerichtet worden. Allein das Erdgeschoss war für mehr als 70 Millionen Mark umgebaut worden. Dort gab es Restaurants, die Hotelbar, die Veranstaltungssäle und der Wellnessbereich.

Ein großes Problem bei der Vermarktung waren die vielen Einzelzimmer - Räume, die zu klein waren, um als Doppelzimmer zu fungieren. Für Touristen und Ehepaare ein eher unattraktives Angebot. Die meisten modernen Hotels haben die Einzelzimmer beinahe komplett abgeschafft, vermieten nur noch Doppelzimmer.

Kein Wunder. Oberbürgermeister Bernd Wiegand (parteilos) hatte damals im letzten Herbst den vor der Kündigung stehenden Beschäftigten Unterstützung zugesagt. „Und die Stadt hat geholfen“, bestätigt der ehemalige Betriebsratsvorsitzende Andreas Lehmann - der selbst übrigens noch keinen neuen Job gefunden hat.

Die Stadtverwaltung hatte bereits im November ein Treffen mit interessierten Mitarbeitern des Maritim-Hotels und Vertretern der städtischen Unternehmen im Stadthaus organisiert, in Zusammenarbeit mit der Arbeitsagentur. Diese Informationsmöglichkeit hatten 50 Maritim-Mitarbeiter genutzt - also fast alle. Mehrere Bewerbergespräche konnten sogar im Anschluss geführt werden. Seitdem arbeitet einer der Maritim-Beschäftigten zum Beispiel als Hausmeister bei der Gesellschaft für Wohn- und Gewerbeimmobilien Halle-Neustadt (GWG) - bei einem städtischen Wohnungsunternehmen also. „Zudem wurden viele Stellenangebote außerhalb des Konzerns vermittelt“, so Bratzke.

Warum nur wenige in der Maritim-Gesellschaft blieben

Und wer konnte bei der Maritim-Gesellschaft bleiben und weiter in seinem eigentlichen Job arbeiten? Nur wenige. Einige der Auszubildenden wurden übernommen und nur ganz wenige Mitarbeiter sind bei anderen Maritim-Standorten untergekommen. Das Problem sei unter anderem gewesen, dass die angebotenen Jobs in Magdeburg, Dresden oder Travemünde in Bezahlung und Tätigkeit oft unter der in Halle gelegen haben, erzählt einer der Betroffenen. Da habe sich ein Umzug nicht gelohnt.

In der Konzern-Zentrale in Bad Salzuflen (Nordrhein-Westfalen) gibt man sich wenig auskunftsfreudig. Auf eine MZ-Anfrage hieß es, man werde sich nicht äußern. „Von weiteren Anfragen bitten wir abzusehen“, so Maritim-Sprecherin Harriet Eversmeyer. Auch der neue Gesamt-Betriebsratschef vom Maritim winkt ab. Er sei erst nach der Massenkündigung in Halle ins Amt gekommen und könne dazu nichts sagen.

Vielleicht denkt man in der Maritim-Zentrale deshalb nicht so gern an die hallesche Filiale, weil der Betriebsrat im letzten Jahr einen guten Sozialplan für die geschassten Mitarbeitern aushandeln konnte. Nach MZ-Informationen liegen die Abfindungen im fünfstelligen Bereich. Das ist deutlich mehr, als der Konzern zunächst bereit war zu bezahlen. (mz)