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Flüchtlinge  Flüchtlinge : Halle und seine Willkommenskultur

Von Silvia ZÖLLER 23.02.2015, 10:51
Ron Müller hilft Jean aus Syrien und ihrem Sohn Raed.
Ron Müller hilft Jean aus Syrien und ihrem Sohn Raed. Jens Schlüter Lizenz

Halle (Saale) - Sie kommen aus Flüchtlingsländern wie Guinea-Bissau oder dem Iran, aber auch aus England, Italien - und natürlich Halle. Gemeinsam kicken sie unter der Flagge des Sportklubs „Roter Stern“ zweimal die Woche auf dem Buna-Sportplatz in Neustadt. Für den Politikwissenschafts-Studenten Peer Belz sind das nicht nur wegen des sportlichen Aspekts wichtige Termine in der Woche: „Wir wollen hier Integration durch Sport ermöglichen.“

Denn für Peer Belz ist eine Willkommenskultur für Flüchtlinge ein großes Anliegen. Und das schon seit vielen Jahren. Der 24-Jährige ist in der Amnesty-Hochschulgruppe aktiv, die bereits seit über zwei Jahren Deutschkurse der anderen Art anbieten: Kein Frontalunterricht, sondern gemeinsam mit Menschen aus anderen Ländern zusammensitzen, kochen, sogar spielen. „Wir wollen dabei das Allernötigste an wichtigen deutschen Standardsätzen beibringen“, sagt Belz.

Wer Menschen aus anderen Ländern in Halle willkommen heißen will, kann sich mit folgenden Vereinen und Organisationen in Verbindung setzen:

Die Amnesty-Hochschulgruppe ist zu finden unter:ai-campus.de

Der Fußballklub Roter Stern im Netz:rshalle.wordpress.com

Die Arabische Oase unter:

arabische-oase.de

Die Ausländerbeauftragte der Stadt Halle, Petra Schneutzer:

[email protected]

Der Vorsitzende des

Ausländerbeirates, Tarek Ali:

Tel.: 0176/24 80 39 53

Die Freiwilligenagentur startet demnächst ein Sprachpaten-

projekt für Flüchtlingskinder:

www.freiwilligen-agentur.de

Freiwillige gesucht

Mit Unterstützung des Jugendmigrationsdienstes der Stadt, mit dem die Hochschulgruppe seit eineinhalb Jahren zusammenarbeitet, gehen so täglich Ehrenamtliche in zwei Gemeinschaftsunterkünfte. Neben den Deutschkursen begleiten die Freiwilligen die Flüchtlinge auch zu Behörden oder bei Arztbesuchen. Insgesamt sind gut 50 Freiwillige in dem Projekt engagiert. „Aber wir suchen noch weitere Mitstreiter, damit dieses Angebot noch mehr ausgeweitet werden kann“, sagt Peer Belz.

Falsche Vorstellungen abbauen

Denn er hat auch schon eine weitere Idee entwickelt: Events, Konzerte und Theateraufführungen könnten noch mehr Begegnungen zwischen Hallensern und Flüchtlingen ermöglichen - und zwar auf Augenhöhe. „Etwa beim gemeinsamen Kochen. Was kocht ihr in eurem Land, was kochen wir“, erklärt der Student. Oder aber in einem Musikprojekt, wo heimatliche Musik aus mehreren Ländern zu einem Klang vermischt werden könnte. Denn was Peer Belz und die Amnesty-Hochschulgruppe sich wünschen, ist auch über die drei Monate, die Flüchtlinge in den Gemeinschaftsunterkünften beherbergt werden, mit ihnen in Kontakt zu bleiben.

Ron Müller hat dieselbe Idee. Und sie bereits seit 2010 umgesetzt. Der 35-Jährige gründete damals die Initiative „Arabische Oase“, um einen Kulturaustausch zu ermöglichen. „Es wird einfach vieles falsch rübergebracht“, sagt der Islamwissenschaftler, der mit einer Syrerin verheiratet ist. Vorurteile und falsche Vorstellungen abbauen, das sind Ziele der Initiative, die auch auf dem Laternenfest immer ihre Zelte aufschlägt.

Sprache und Diskriminierung

Aber der wissenschaftliche Mitarbeiter des Uni-Seminars für Ethnologie greift Flüchtlingen auch ganz praktisch unter die Arme: Mit seinen Arabisch-Kenntnissen hilft er Menschen aus diesen Ländern bei notwendigen Behördengängen. Das Problem: Die Amtssprache ist Deutsch. Und die beherrschen die Menschen, die traumatisiert aus Syrien, dem Irak oder anderen Bürgerkriegsländern kommen, natürlich nicht. Willkommenskultur, so meint Ron Müller, müsste auch bedeuten, dass die zahllosen Formulare in den Zielsprachen der Flüchtlinge angeboten werden. „Denn nach dem EU-Recht darf niemand wegen seiner Sprache diskriminiert werden“, betont er.

Angebot ausweiten

Und er beobachtet ein anderes Phänomen, wenn er einen seiner Schützlinge zur Ausländerbehörde in Neustadt begleitet: Das Verhalten der Sachbearbeiter ändert sich positiv, sie sind viel freundlicher. Rund 20 Flüchtlinge hat er schon begleitet, auch telefonisch berät er Migranten in Magdeburg, in Hessen, in Bayern. Ein wenig sei das auch ein Helfersyndrom, gibt er zu. „Aber diese Menschen wurden aus ihrer Lebenswelt herausgerissen, sie kamen nicht freiwillig hierher. Ich möchte ihnen eine Starthilfe geben in einem hochbürokratisierten Land“, sagt der 35-Jährige. Er möchte sein Angebot der Begleitung gerne mit weiteren Freiwilligen ausweiten - die dafür nicht einmal Arabisch sprechen müssen. Dafür sei lediglich notwendig zu wissen, welche Dokumente erforderlich sind, so Müller. Bei Sprachproblemen ist er im Notfall telefonisch erreichbar.

Direkte Hilfe ist ganz einfach

Ein ganz anderes Willkommen bereitet Eva-Maria Baldzuhn Flüchtlingen: Die Hallenserin hat spontan zu Weihnachten einen syrischen Studenten zum Essen eingeladen. „Und wir werden wir auch ganz privat in Zukunft weitere Einladungen aussprechen“, sagt sie. Sie möchte damit den Neuankömmlingen einen Einblick in den deutschen Alltag geben und sie nicht alleine lassen. Eine simple Idee, die eigentlich jeder Hallenser umsetzen kann.

Gemeinsam kicken - das ist in der bunt gemischten Mannschaft von „Roter Stern“ gelebte Integration. Peer Belz (untere Reihe, 2.v.r.) ist der Motor.
Gemeinsam kicken - das ist in der bunt gemischten Mannschaft von „Roter Stern“ gelebte Integration. Peer Belz (untere Reihe, 2.v.r.) ist der Motor.
Günter Bauer Lizenz