Flüchtlinge bei Papenburg Flüchtlinge bei Papenburg in Halle: Angela Papenburg erklärt, warum von 70 Flüchtlingen nur noch einer da ist.

Halle (Saale) - Das hallesche Bauunternehmen Papenburg steht wegen seiner vermeintlich gescheiterten Flüchtlingspolitik im Fokus. Geschäftsführerin Angela Papenburg erklärt im Gespräch mit Robert Briest, was sich aus ihrer Sicht für die Berufsintegration von Flüchtlingen ändern muss.
Anfang der Woche gab es die Meldung, dass von 70 Flüchtlingen, die vor einem Jahr bei Papenburg angefangen haben, noch einer da ist ...
Papenburg: Im vergangenen Jahr hatten wir nicht auf einmal, sondern über das ganze Jahr verteilt, etwa 70 Praktikanten. Manche waren nur wenige Tage zum “Schnuppern“ da, andere zwei bis vier Wochen. Bei ihnen haben unsere Ausbilder beurteilt, ob sie Kenntnisse, die sie angegeben haben – oft bringen die Flüchtlinge ja keine Zertifikate mit – auch wirklich vorweisen können. Sie haben teils sehr unterschiedliche Tätigkeiten in ihren Heimatländern ausgeübt, manche waren etwa Lehrer und zusätzlich Taxifahrer. Wir haben zum Praktikumsende Beurteilungsschreiben erstellt. Bei denen wir uns auch selbst eine Weiterbeschäftigung vorstellen konnten, wurde eine Empfehlung ausgesprochen, damit sie für zukünftige Bewerbungen etwas in der Hand haben.
Es war also nie das Ziel die 70 Praktikanten komplett zu übernehmen?
Papenburg: Nein. Bei den 70 war beispielsweise auch ein kompletter Sprachkurs dabei. Natürlich kann man nicht davon ausgehen, dass 15 von 15 sagen, sie wollen Berufskraftfahrer werden. Wir wollten eine normale Berufsorientierung geben, aber trotzdem auch für unser Unternehmen interessieren. Das am Ende nur einer bleibt, ist deshalb ernüchternd. Wir hatten gehofft, dass wenigstens fünf bis zehn bei uns anfangen.
Weshalb ist es denn nur einer geblieben?
Papenburg: Wir hatten insgesamt drei Flüchtlinge in der Einstiegsqualifizierung, die also wirklich einen Vertrag hatten. Zwei haben abgebrochen. Sie hatten vermutlich die Vorstellung: Ich habe die Tätigkeiten ausreichend kennengelernt, warum muss sich dann noch in einigen Monaten eine Ausbildung anschließen. Das Verständnis, dass mit den ausgeübten Tätigkeiten noch keine komplette Ausbildung mit vielen theoretischen Inhalten verbunden ist, fehlte. Bei vielen Praktikanten hatte ich das Gefühl, dass sie gewartet haben, dass ihnen jemand vorgibt, was sie tun sollen. Da war häufig Resignation: Wir wollen ja arbeiten, aber jetzt sind wir in dem Sprachkurs und danach wissen wir nicht, was passiert. Sie haben sich nicht getraut, die Entscheidung für eine verbindliche Zukunftsperspektive zu treffen Viele waren während der Praktika leider auch oft bei Terminen der Ausländerbehörde oder der Arbeitsagentur bzw. des Job-Centers.
Liegt dieses Problem an den Flüchtlingen oder den Behörden?
Papenburg: An beiden. Natürlich müssen diese Termine wahrgenommen werden, aber unsere Mitarbeiter machen solche Termine üblicherweise außerhalb der Arbeitszeit. Damit sollte auch eine Behörde umgehen und nicht einfach „anordnen“. Wir hatten manchmal das Problem, dass jemand kurzfristig ein Praktikum machen wollte, aber dann zwei Wochen auf einen Termin beim Job-Center warten sollte, um eine Genehmigung zu bekommen. Natürlich sind die Behörden belastet, aber ein Unternehmen kann damit nicht gut umgehen. Vielleicht muss man akzeptieren, dass jedes Unternehmen eine individuelle Lösung braucht. Was wir machen, kann ein Handwerker so nicht umsetzen. Die Gesetze geben Sprachkurse vor, aber jeder lernt unterschiedlich schnell. Mancher kann die Sprache nach kurzer Zeit, muss aber im Kurs bleiben. Andere kommen in Kursen gar nicht weiter, bräuchten eine andere Methode.
Sehen Sie die Pflichtsprachkurse für Flüchtlinge als ein Hindernis für die Berufsintegration?
Papenburg: Ja, teilweise. Die Arbeitsagentur sagt natürlich, es sei die Grundvoraussetzung um in den Arbeitsmarkt zu kommen. Aber die Flüchtlinge, die 2015 gekommen sind, sind jetzt über ein Jahr hier. Bei einem Au-Pair-Austausch können die Jugendlichen die Sprache nach einem dreiviertel Jahr perfekt, weil sie einfach ins Leben hineingeworfen werden, nicht in der Schule die Sprache lernen, sondern im Kontext. Dieses Lernen im Kontext kann hier eigentlich nur im Arbeitsumfeld erfolgen. Wir würden gern als Sprachmittler ausgebildete Mitarbeiter einstellen, um neben fachlichen Inhalten auch Sprache vermitteln zu können. Wenn man solche Systeme weiter ausbaut, kann man Integration gut meistern, auch wenn die Sprache noch nicht perfekt ist.
Reaktionen gab es auch aus der Landesregierung. Die Staatssekretärin für Integration Susi Möbbeck (SPD) sagte: Man habe an diesem Fall erkennen können, dass Schnellschüsse nicht helfen. Trifft Sie das?
Papenburg: Das waren keine Schnellschüsse. Das ist lächerlich, denn wir haben nach und nach Erfahrungen gesammelt und Maßnahmen in den Abläufen immer weiter verbessert. Wir haben beispielsweise extra zusammen mit einem Bildungsträger ein zertifiziertes Projekt aufgesetzt, in dem 20 Geflüchtete zunächst zwei Monate beim Bildungsträger waren, dort Berufsorientierung, Potenzialanalysen und Deutschkurs gemacht haben. In dieser Zeit gab es schon erste Kontakte, Betriebsbesichtigungen und Präsentationen und dann vier Wochen Praktikum bei uns. Oder ein weiteres Beispiel: Wir hatten im Dezember einen Beratungstag, an dem über 200 vorwiegend junge Männer aus Sprachkursen teilnahmen. Bis auf eine Bewerbung eines Flüchtlings haben wir keine Rückmeldung von den Bildungsträgern, die mit ihren Gruppen da waren, bekommen, wer mit seinem Sprachkurs demnächst fertig wird und wer ggf. Interesse hat. Nichts. Da frage ich mich, was Arbeitsagentur und Landesregierung den Bildungsträgern als Aufgabe mit auf den Weg geben. Ist es nur das Ziel, Sprachzertifikate auszugeben, oder sollten sie nicht auch daran gemessen werden, ob ein nahtloser Übergang in ein Arbeits- und Ausbildungsverhältnis erfolgt.
Das Thema Flüchtlinge ist für Papenburg ist also noch nicht durch?
Papenburg: Überhaupt nicht. Wir werden jetzt in Gesprächen etwa mit der Arbeitsagentur klären, was aus unserer Sicht nicht gut läuft. Was wir nicht mehr machen werden, ist auf Zuruf von Bildungsträgern Praktikanten zu nehmen. Das demotiviert unsere Mitarbeiter: Sie stecken viel Kraft und Engagement hinein, aber wenn dann keiner bleibt, ist das schwierig.
Was sind dann die größten Hindernisse für den Berufseinstieg von Flüchtlingen?
Papenburg: Im Moment ist es das Festhalten in Kursen, die nicht auf die üblichen Terminschienen ausgerichtet sind. Eine EQ muss mindestens 6 Monate laufen, Ausbildung beginnt in Deutschland üblicherweise im August. Und branchenspezifisch: Im Bau haben wir im Winter Zeit, um zu schulen und Inhalte zu vermitteln, ab Frühjahr stehen alle unter Druck. Meiner Meinung nach müssen Fahrpläne für die Zukunft erstellt werden, bevor die Maßnahmen enden. Mir wäre es lieb, wenn wir eine größere Gruppe hier hätten, die wir schulen, praktisch anleiten und den Deutschunterricht so erteilen können, wie wir es für nötig erachten.
(mz)