Felix Graf Luckner Felix Graf Luckner: Die Lüge des Seeteufels - vom "Feind der nun ein Freund" sei

Halle (Saale) - Der Schiffsjunge und Funkerlehrling Richard Douglas Page war 16 Jahre alt, als er am 11. März 1917 seinen Verletzungen. erlag. Zuvor hatte Felix Graf Luckner, später als Retter von Halle Ende des Zweiten Weltkriegs verehrt, an Bord des „Seeadlers“ das englische Handelsschiff „Horngarth“ unter Beschuss nehmen lassen. Dass dabei der junge Douglas starb, hat Luckner nie erwähnt.
Dennoch wird er von der Familie des getöteten Jungen verehrt. Dessen Großneffe, Ross Pooley aus dem englischen York, war dieser Tage zu Gast in Halle. Seit vielen Jahren ist er Mitglied der Felix-Luckner-Gesellschaft. Deren Präsident, Matthias Maurer, führte Pooley fünf Tage lang durch die Stadt, zeigte Museen, Händelhaus, die Innenstadt und natürlich die Luckner-Stätten selbst. Wundervoll sei die Stadt, sagte Pooley, sie erinnere ihn mit ihrer alten Bausubstanz ein wenig an seine Heimatstadt York.
Er kam nicht mit leeren Händen: Er überreichte Matthias Maurer ein Foto von Page. „Das ist eine große Ehre für uns“, sagte Maurer, froh auch darüber, nun selbst die Geschichte des „einen Toten“ zu erfahren. Von Douglas verschickte Ansichtskarten - die letzte abgestempelt nach seinem Tod - und sogar die von Luckner selbst geschriebene Rede anlässlich der Bestattung des getöteten Jungen hatte Ross Pooley ebenfalls mitgebracht. Und er zeigte die „Ehrenkarte“, die Luckner seinerzeit an die Familie des Opfers geschickt und auf der er sich für dessen Tod entschuldigt hatte. Nicht zuletzt dafür wird er von Ross Pooley und seiner Familie verehrt.
Die wusste lange Zeit gar nicht, was eigentlich genau geschehen war in jenem März 1917. Der junge Douglas Page wird zwar unter vielen genannt auf einem Kriegerdenkmal in York, allerdings war immer, auch innerhalb der Familie, von einem Tod durch Gewehrkugeln die Rede. Ross Pooley recherchierte, angeregt durch die Gründung der Graf-Luckner-Gesellschaft, und konnte schließlich den Hergang des Unglücks rekonstruieren.
Aufgabe war, feindliche Handelsschiffe aus dem Verkehr ziehen
Demnach stieß Luckner bei seiner Fahrt mit der „Seeadler“ im Atlantik auf den englischen Dampfer „Horngarth“, voll beladen mit Champagner. An dem sich Luckner und seine Mannschaft, nebenbei bemerkt, später gütlich taten. Die Aufgabe des Deutschen bestand damals darin, unbewaffnete Handelsschiffe aus Feindesland aus dem Verkehr zu ziehen, was ihm durch seine Überredungskünste in aller Regel recht problemlos gelang.
Felix Graf Luckner (1881 - 1966) war ein deutscher Seeoffizier, Kapitän im Ersten Weltkrieg und Schriftsteller. Mit seinem Abenteuerbericht „Der Seeteufel“ wurde er weltweit berühmt.
In seinen Erzählungen und Vorträgen nahm er es mit der Wahrheit mitunter nicht sehr genau. Als wohl wichtigster Retter der Stadt Halle vor einer Bombardierung im April 1945 ist er eine Person der halleschen Stadtgeschichte.
Seine Nähe zum NS-Regime und die Vorwürfe des Kindesmissbrauchs verhinderten bisher, dass eine Straße in Halle nach ihm benannt wurde.
14 Schiffe soll er versenkt haben, dabei stets darauf bedacht, seine Gegner zu schonen. „Er segelte unter norwegischer Flagge und ist an die Handelsschiffe herangefahren, um zu fragen, wie spät es ist“, erzählt Matthias Maurer. „Dann hat er sich zu erkennen gegeben und den Kapitänen geraten, aufzugeben. Das haben die dann auch getan.“ Die Besatzungen wurden auf der „Seeadler“ aufgenommen, verpflegt und später freigelassen.
Menschen sollten nicht zu Schaden kommen
Die „Horngarth“ allerdings wollte nicht mitspielen. Deren Kapitän befahl volle Kraft voraus, die „Seeadler“ eilte hinterher. Luckner ließ auf den Bug der „Horngarth“ schießen, Menschen sollten nicht zu Schaden kommen. Das klappte nicht ganz: Eine fehlgeleitete Granate traf eine Dampfleitung in der Funkerkabine, in der sich der junge Douglas Page gerade befand. Er wurde schwer verletzt. Luckner holte ihn auf sein Schiff, ließ ihn in seinem Salon verarzten und tat alles, um das Leben des Jungen zu retten. Vergeblich, Douglas Page starb nachts um zwei.
Luckner, erzählt Ross, sei bestürzt gewesen. Er habe den Jungen mit militärischen Ehren bestatten lassen, Kerzen angezündet und eine Rede gehalten. Und er habe die „Ehrenkarte“ verschickt an die Familie des Opfers, in der er den Tod des Jungen bedauert und sich entschuldigt habe. Von der „alten deutschen Tradition, die Toten zu ehren“, ist darin die Rede.
Von dem „Feind, der nun ein Freund“ sei. Und von Gott, der Douglas Page zu sich geholt habe. Dieses „ehrenwerte Verhalten“, sagte Ross Pooley, habe ihn und seine Familie sehr beeindruckt. Und deshalb habe er nun endlich auch einmal Halle kennenlernen wollen, die Stadt, die Luckner so sehr geliebt habe.
Dass hier in Halle noch keine Straße nach Graf Luckner benannt wurde, kann er nicht verstehen. „Das muss sein“, sagte er, „schreiben Sie das auf!“ (mz)