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Ex-Soldat wird Schäfer Ex-Soldat wird Schäfer: "Rockerverschnitt" tauscht Gewehr gegen Hütestab

Von Sabrina Gorges 27.06.2016, 05:11
Der Ex-Soldat und Auszubildende zum Tierwirt, Fachrichtung Schäferei, Marc Bell, posiert am Rande eines Hütewettbewerbs in der Franzigmark bei Halle mit traditioneller Schäferweste, Hut und Hütestab.
Der Ex-Soldat und Auszubildende zum Tierwirt, Fachrichtung Schäferei, Marc Bell, posiert am Rande eines Hütewettbewerbs in der Franzigmark bei Halle mit traditioneller Schäferweste, Hut und Hütestab. dpa-Zentralbild

Halle (Saale) - Marc Bell ist eine „coole Socke“. Der Ex-Soldat der Bundeswehr ist groß, kräftig und schwer tätowiert. Er fährt eine Harley Davidson und hat auch schon im Sicherheitsgewerbe gejobbt. Bell sagt über sich: „Ich bin der Rockerverschnitt.“ Der gebürtige Bergisch Gladbacher hat zwei Berufe gelernt und war acht Jahre Zeitsoldat. Eine unruhige Zeit, sagt er heute. „Ich konnte mich nicht festigen, bin nirgendwo richtig angekommen.“ Als er fast 30 Jahre alt ist, fasst er einen Entschluss: Er will Schäfer werden. Im August 2015 beginnt er die Ausbildung - und tauscht das Gewehr gegen den Hütestab.

Für seinen ungewöhnlichen Weg ist Bell schon unzählige Male belächelt worden. Nicht immer wird es konkret ausgesprochen, aber die Blicke sagen alles, meint der Auszubildende zum Tierwirt, Fachrichtung Schäferei, wie es richtig heißt. „Mein Berater vom Berufsförderungsdienst der Bundeswehr hat wirklich gedacht, ich will ihn verarschen“, sagt Bell. Als er ausspricht, dass er lieber Schafe hüten als mit dem Gewehr durch den Schlamm ziehen will, bricht sein Gegenüber in Gelächter aus. Doch Bell ist sich sicher. „Ich wusste schon nach sechs von acht Jahren als Soldat, dass ich raus und den Schäfer machen will.“ Warum? „Ich weiß es nicht genau. Tiere und Draußensein passt einfach zu mir.“

Bell besucht als Kind ein katholisches Jungeninternat, wohnt in Bergisch Gladbach, Dortmund und Gummersbach. Er macht seinen Realschulabschluss und lässt sich in seinem „ersten Leben“ erfolgreich als Werkzeugmechaniker ausbilden. „2007 war ich fertig, dann ging das Unternehmen den Bach runter und ich war Leiharbeiter. Das war furchtbar.“

Sein zweites Leben bei der Bundeswehr

Bell schlüpft 2008 in sein „zweites Leben“ bei der Bundeswehr. Der heute 29-Jährige verpflichtet sich 2008 für acht Jahre und macht in Marburg eine zivile Aus- und Weiterbildung zum Lagerlogistiker. Er schlägt die Unteroffizierslaufbahn ein und wechselt immer wieder die Kasernen. „Man hat nie eine eigene Wohnung, kommt nie an“, berichtet Bell. Und trotzdem: „Man fühlt sich bei der Bundeswehr unsterblich. Um das Später macht man sich keine Sorgen.“

2011 wird die Einberufung von Grundwehrdienstleistenden ausgesetzt, die Wehrpflicht endet. „Da begann die Auflösung der Einheiten und es fielen Dienstposten weg. Auch jene, die ich ins Auge gefasst hatte. Alles wurde zusammengewürfelt. Da hab ich mich innerlich von der Bundeswehr verabschiedet.“ Er stellt zwei Anträge auf Dienstzeitverkürzung. Der erste wird abgelehnt, der zweite ist erfolgreich. Im August 2015 beginnt Bell sein „drittes Leben“ - in der Tier- und Landwirtschaft.

Familie gibt wichtige Impulse

Er will die typische Schäferweste, Hut und Stab tragen und die Hütehunde anleiten. Wie so oft ist es die Familie, die wichtige Impulse gibt. „Mein Stiefbruder ist Hufschmied und hat ein paar Schafe.“ Bell steigt wegen seiner Vorqualifizierungen im zweiten Lehrjahr ein. Unterricht hat er im Block in Halle. An der Berufsbildenden Schule des Landkreises Saalekreis „Carl Wentzel“ drücken Nachwuchsschäfer aus mehreren Bundesländern die Schulbank.

Für Schäfermeisterin und Fachlehrerin Marina Gothe ist ein Quereinsteiger wie Bell nicht außergewöhnlich. „Das hat man hin und wieder. Mir fällt da sofort ein Bänker ein“, sagt sie.

Bell wechselt nach sechs Monaten den Ausbildungsbetrieb und findet in Schäfer Bernd Angelroth einen neuen, erfahrenen Mentor. Angelroth ist Mitglied der Genossenschaft Agrarprodukte Ludwigshof in Thüringen und Schäfer in fünfter Generation.

Kurz vor Halbzeit seiner Ausbildung strahlt Bell über das ganze Gesicht: „Es ist schon geil.“ Und was sagt er jenen Skeptikern, die ihm vorwerfen, einen Beruf ohne Zukunft zu erlernen? „Denen sage ich: Zukunft ist doch das, was wir draus machen.“ (dpa)