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Betreuung Erzieher streiken am Mittwoch wieder

Zu viel Arbeit, zu wenig Geld und keine Veränderung in Sicht: Die Kitas der Stadt sind am Mittwoch erneut geschlossen. Eltern haben das Nachsehen.

Von Tanja Goldbecher 02.05.2022, 17:21
Erzieher streiken am Mittwoch erneut für bessere Arbeitsbedingungen.
Erzieher streiken am Mittwoch erneut für bessere Arbeitsbedingungen. Foto: Silvio Kison

Halle (Saale)/MZ - Viele Eltern müssen am Mittwoch ihre Kinder erneut zu Hause betreuen. Denn die Gewerkschaft Verdi ruft Erzieher und Sozialarbeiter bereits zum dritten Mal auf, ihre Arbeit niederzulegen. Zwei Tarifverhandlungsrunden mit dem Kommunalen Arbeitgeberverband Sachsen-Anhalt (KAV) für die rund 330.000 Beschäftigten sind bisher gescheitert. Am 16. Mai soll es das nächste Gespräch geben. Bis dahin will die Gewerkschaft mit einem erneuten Streik weiter Druck aufbauen.

Betroffen sind vor allem die 55 Kitas und Horte des Eigenbetriebs der Stadt. Wie viele Einrichtungen genau geschlossen sein werden, könne die Verwaltung nicht beziffern. Denn es sei unklar, wie viele Erzieher sich an dem Streik beteiligen und ob eine Betreuung in den Kitas aufrechterhalten werden kann. Viele Kita-Leiter sollen ihre Mitarbeiter jedoch im Vorfeld dazu befragen und danach die Eltern informieren. Laut Verwaltung soll zumindest eine Notbetreuung in allen Kitas ermöglicht werden.

Schon bei den vorherigen beiden Warnstreiks haben die Erzieher betont, dass es ihnen nicht nur um eine bessere Bezahlung geht. Laut Verdi konfrontiere die Gewerkschaft die KAV mit insgesamt 14 Forderungen. Dazu zählt zum Beispiel, dass Kita-Leitern und Stellvertretern Zeit eingeräumt wird, um Aktivitäten in der Einrichtung vor- und nachzubereiten. Aktuell sehe die Situation so aus, dass Leiter häufig in Krippe und Kindergarten aushelfen müssen, um Personalausfälle abzufedern. „Viele erledigen ihre Arbeit dann unbezahlt zu Hause in ihrer Freizeit“, kritisiert Gewerkschafter Johannes Mielke. Organisatorische Aufgaben wie E-Mails an die Eltern oder neue Konzepte zu entwickeln, bleiben auf der Strecke. Mit etwa 300 Euro mehr Lohn, soll die Arbeit der Erzieher insgesamt mehr wertgeschätzt werden.

Hier von einer schlechten Bezahlung und unangemessenen Arbeitsbedingungen zu sprechen, ist daher nicht nachvollziehbar.

Arbeitgeberverbandgeschäftsführerin Diana Häseler-Wallwitz

Der Arbeitgeberverband bezeichnet die Forderungen als „überzogen“. Demnach gehören Erzieher zu den Spitzenverdienern im öffentlichen Dienst. Daher seien die Forderungen der Gewerkschaft Verdi, die Gehälter für Erzieher und Sozialarbeiter zu erhöhen, unverhältnismäßig. Auch der Vorschlag, den Mitarbeitern zusätzliche freie Tage einzuräumen, könne nicht angenommen werden. Verdi hat für Mittwoch einen weiteren Warnstreik mit Kundgebung auf dem Markt angekündigt, sodass viele städtische Kitas geschlossen sein könnten.

Wer als Erzieher in den Beruf einsteigt, würde pro Monat rund 3.100 Euro verdienen. Im Schnitt belaufe sich das Gehalt jedoch auf 3.800 Euro sowie 30 Tage Urlaub. Die jüngste Lohnerhöhung habe es Anfang April um 1,8 Prozent gegeben. „Hier von einer schlechten Bezahlung und unangemessenen Arbeitsbedingungen zu sprechen, ist daher nicht nachvollziehbar“, sagt Geschäftsführerin Diana Häseler-Wallwitz. Zugleich will der Verband den Gewerkschaften entgegenkommen und habe einen Vorschlag unterbreitet, wie Sozialarbeiter und Kita-Leiter künftig bezahlt werden könnten. Der Arbeitgeberverband will sich in der dritten Verhandlungsrunde mit Verdi einigen.

Verdi beklagt wiederum, dass der Verband keinen Schritt auf die Gewerkschaft zugeht. „Massagen in der Mittagspause sind kein akzeptabler Vorschlag“, sagt Mielke. Viele Erzieher und Sozialarbeiter müssten ihre Mittagspause streichen, da zu viele Kollegen krankgeschrieben sind und sie mehr Kinder betreuen, als es vorgeschrieben ist. Wenn sich beide Seiten nicht einigen, folgt ein längerer Streik. Bei den vergangenen Tarifverhandlungen im Jahr 2015 dauerte dieser über fünf Wochen an.

Massagen in der Mittagspause sind kein akzeptabler Vorschlag.

Gewerkschaftssekretär Johannes Mielke

Während die Mehrheit der Eltern derzeit noch mit Verständnis reagiert und ebenfalls hofft, dass sich die Situation in den Kitas verbessert, könnte sich das bei einem längeren Streik ändern. Laut Jens Kreisel, Betriebsleiter des Kita-Eigenbetriebs, kann die Stadt keinen Einfluss auf ein schnelles Ende der Verhandlungen nehmen. Sie versuche jedoch, ihre Einrichtungen zu modernisieren. Eine weitere Stellschraube sei die Ausbildung: Nur ein Bruchteil der interessierten Quereinsteiger könne im Moment eingestellt werden.

Kundgebung auf dem Markt

Verdi ruft nicht nur seine Mitglieder auf, sich an dem Streik zu beteiligen. Auch Eltern und Kinder können an der Demo am 4. Mai teilnehmen. Diese startet um 9.30 Uhr am Capitol in der Lauchstädter Straße, führt über die Merseburger Straße und den Riebeckplatz hin zum Markt. Dort findet eine Kundgebung statt, bei der unter anderem der Grünen-Stadtrat Dennis Helmich auftreten soll. Verdi rechnet mit mehreren Hundert Teilnehmern.