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Entführung: Busfahrer in Todesangst Entführung: Busfahrer in Todesangst: Warum erreichte der Notruf niemanden?

Von Julia Rau 22.12.2017, 09:55
Mittlerweile hat Sattler einen neuen Job gefunden.
Mittlerweile hat Sattler einen neuen Job gefunden. Lutz Winkler

Halle (Saale) - Warum beendete niemand die Horrorfahrt? Als im Juli ein OBS-Bus in Heide-Nord entführt wurde, verließ sich dessen Fahrer darauf, dass die Polizei jeden Moment eingreifen würde. Doch keiner kam. Das Notrufsystem versagte offenbar.

Der Bus fuhr deshalb mit viel zu hoher Geschwindigkeit durch die ganze Stadt, über rote Ampeln, Gleise und Kreuzungen, ohne anzuhalten. Der Entführer schrie den Busfahrer Ralf Sattler unentwegt an, er solle schneller fahren, wie der Fahrer später der MZ erzählte.

Notruf vergeblich gedrückt?: Nach Busentführung in Halle (Saale) tauchen Fragen auf

Der vermutlich unter Drogeneinfluss stehende Entführer wollte sich von dem Bus schnellstmöglich in eine Diskothek in Halle-Neustadt chauffieren lassen. Das wurde er auch, denn der Busfahrer habe in der Sicherheitsbelehrung gelernt, in solchen Situationen Folge zu leisten, um sich und andere Fahrgäste - an dem Abend der Entführung saßen noch vier weitere Leute mit im Linienbus - zu schützen. Außerdem hatte er gelernt, dass man den Notknopf drücken soll. Das tat er zu Beginn der Fahrt. Vergebens?

„In der Firma sagten sie uns, dass sie dann über das Mikrofon im Bus mithören können“, so der Fahrer. Deshalb habe er auch während der Entführung immer wieder die Straßen erwähnt, in die er einbog. Zudem leuchtete eine Meldung auf dem Display auf, weil er seine Route verlassen hatte.

Wieder und wieder hat er trotz der überwältigenden Angst versucht, sich bemerkbar zu machen, Hilfe zu bekommen. „Ich habe eigentlich auf der Strecke immer Ausschau gehalten, ob denn endlich die Polizei anrückt“, sagte er. Er sei überzeugt gewesen, dass die Kollegen in der Leitstelle mithören konnten und sei allein deshalb nicht in Panik verfallen.

Bus in Halle (Saale) entführt: So funktionieren die Notknöpfe in Linienbussen

„Normalerweise gibt es zwei verschiedene Notknöpfe in Linienbussen“, sagt Sprecher Tim Stein von den Magdeburger Verkehrsbetrieben, „so ist das jedenfalls bei uns“. Einer sei für Gefahrensituationen da, der andere für Unfälle. „Wird einer der beiden gedrückt, hat der Fall in der Verkehrsleitstelle oberste Priorität“, so Stein. Der so genannte Überfallknopf sei zudem versteckt verbaut, nur die Busfahrer wüssten, wo er sich befindet, „selbst ich weiß es nicht“, so der Sprecher.

Wird der Überfallknopf betätigt, schrillt in der Verkehrsleitstelle, die rund um die Uhr besetzt ist, ein Alarmton. Automatisch gehen gleichzeitig die Mikrofone im betroffenen Bus an und die Leitstelle hört mit, was darin passiert. Dann werde unverzüglich eine Funkverbindung zum Fahrzeug hergestellt. „Wir haben in der Leitstelle eine digitale Karte der Stadt auf der wir sehen können, wo der Bus gerade ist.“ Die Kollegen der Leitstelle informieren sofort die Polizei und rücken mit dem eigenen Blaulichtfahrzeug selbst mit aus.

Bus in Halle (Saale) entführt: OBS und Havag schieben sich gegenseitig die Verantwortung zu

Das alles hat in Halle im Juli offenbar nicht so funktioniert, wie es sollte. Das Busunternehmen Omnibusbetrieb Saalekreis GmbH (OBS), das die Linie 22 damals bediente, teilte auf Anfrage zu den Notsystemen mit, die Hallesche Verkehrs-AG (Havag) als auftraggebendes Unternehmen für die Funktionalität der Sicherheitstechnik sorgen müsse. Schließlich würden die OBS-Busse, die für die Havag eingesetzt werden, auch bei dem städtischen Unternehmen mit den notwendigen technischen Anlagen ausgestattet.

Die Havag wiederum weist das von sich, sie sei lediglich für fahrgastbezogene Technik wie Automaten und Ticketentwerter zuständig. Für die Sicherheit müsse die OBS dagegen selbst sorgen. Zwar hätte die Leitstelle der Havag die Entführung mitbekommen, ob durch GPS des Busses oder den Notruf bleibt aber offen.

Weitere Angaben dazu, was nach einem Notruf passiert, wollte die Havag „aufgrund von Sicherheitsaspekten“ nicht mitteilen. (mz)