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Drama in Halle-Kröllwitz Drama in Halle-Kröllwitz: Tödliche Experimente mit Drogen

Von Kathleen Bendick 26.06.2014, 19:31
Einsatzfahrzeuge in Kröllwitz
Einsatzfahrzeuge in Kröllwitz Silvio Kison Lizenz

Halle (Saale)/MZ - Die Straße ist wieder befahrbar, nur das Grundstück ist noch gesperrt. Der Selbstmord eines 56-Jährigen am Mittwoch im halleschen Stadtteil Kröllwitz hat für Aufsehen gesorgt. Polizei und Feuerwehren waren mit einem Großaufgebot vor Ort, nachdem weißer Rauch aus den Fenstern drang. Ein Drogenlabor soll sich im Haus des Toten befunden haben. Die Feuerwehr entdeckte eine Vielzahl zunächst undefinierbarer Chemikalien. Vor elf Jahren waren Gebäude und Garten schon einmal durchsucht worden. Auch damals fanden die Ermittler im Haus des promovierten Biochemikers Substanzen aller Art. Der Mann habe aus seiner Faszination für Halluzinogene nie einen Hehl gemacht, sagen Nachbarn. Nach Auskunft seines früheren Anwaltes forschte er zu therapeutischen Zwecken an Drogen und probierte diese auch an sich selbst und Freunden aus. Was ihn genau antrieb, bleibt allerdings unklar.

Es war im Herbst 2003, als die Staatsanwaltschaft Halle ihren Fund aus der idyllischen Seitenstraße in Halle-Kröllwitz öffentlich machte: Im Haus des damals 45-Jährigen wurden Drogen wie Speed und Ecstasy hergestellt. Spezialisten des Bundeskriminalamtes hatten alle Hände voll zu tun, die Chemikalien aus Haus und Gartenlaube fachgerecht zu entsorgen. Der Biochemiker kam vor Gericht. Ins Gefängnis musste er jedoch nicht. „Die Haftstrafe wurde zur Bewährung ausgesetzt“, sagt Staatsanwalt Klaus Wiechmann mit Blick ins Archiv. Der Mann habe ein großes Interesse an chemischen Stoffen und Prozessen gehabt, mit Drogenhandel hatte er nach Auffassung der Richter nichts zu tun.

Das bestätigt auch Rechtsanwalt Wolfgang Müller, der den damals 45-Jährigen vor Gericht vertreten hatte. „Der Mann war Biochemiker und hat in seinem heimischen Labor geforscht, wie bestimmte Substanzen zu therapeutischen Zwecken in der Medizin eingesetzt werden könnten.“ An Freunden und sich selbst habe er die selbst hergestellten Substanzen auch getestet. Er verfasste Protokolle über die Veränderungen von Blutdruck und Pulsfrequenz nach Einnahme der Rauschmittel. „Daher wurde auch die Haftstrafe zu Bewährung ausgesetzt.

Auf der nächsten Seite lesen Sie mehr zu dem Biochemiker aus Halle und sehen ein Video.

Die hergestellten Betäubungsmittel hatten einen bestimmten Kreis nicht verlassen und der Verdacht des Drogenhandels war somit unbegründet“, so Müller. Verdient habe der Biochemiker mit den Produkten aus seinem privaten Labor zudem keinen Cent. „Er war nur wissenschaftlich interessiert.“ Sein Klient sei ein sehr intelligenter Mann gewesen.

Vor elf Jahren hat es in derselben Straße in Kröllwitz einen ähnlichen Fall gegeben. Auf einem Grundstück hatte die Polizei im Jahr 2003 ein Drogenlabor gefunden, in dem Ecstasy und Speed hergestellt wurden. „Das gesamte Haus einschließlich der Gartenlaube war mit Chemikalien der verschiedensten Art und Herkunft zugestellt“, sagte damals ein Polizist. Die Chemikalien wurden von Spezialisten des Bundeskriminalamtes abtransportiert, der Grundstücksbesitzer angezeigt. Er war Biochemiker. (ben)

Beschafft hatte sich der Biochemiker die Substanzen von der Universität Halle, wo der Wissenschaftler damals arbeitete. Als das illegale Labor entdeckt wurde, kündigte ihm der Arbeitgeber. Der Kröllwitzer fand bei einem großen Pharmaunternehmen in Hessen einen neuen Job. Nur am Wochenende kam der 56-Jährige seither zurück nach Kröllwitz. Nachbarn trafen ihn ab und an beim Spazieren.

Seine Eltern sind kurz nach einander gestorben. Der Nachbar sei sehr still gewesen, habe in keiner festen Partnerschaft gelebt. Angehörige gab es nicht. „Er war freundlich und hat immer gegrüßt, aber er war wohl sehr einsam“, sagt eine Nachbarin. Nur zu einer Bekannten aus Halle habe der Biochemiker Kontakt gehalten. Ihr gegenüber hatte er auch angedeutet, sich das Leben nehmen zu wollen. Als sie mehrere Tage nichts von ihm hörte, meldete sie sich am Mittwoch bei der Polizei. Die Befürchtung bestätigte sich.

Als die Feuerwehr anrückte, wurde der Mann leblos im Haus gefunden. Dort breiteten sich undefinierbare Dämpfe aus. Der Einsatzleiter erhöhte die Sicherheitsstufe. Die Straße wurde abgesperrt, Nachbarn wurden wegen möglicher Explosionsgefahr in Sicherheit gebracht. Wie vor elf Jahren war das Gebäude mit Chemikalien zugestellt, ein Labor wurde gefunden.

Die Polizei ermittelt erneut, ob der Mann mit Drogen gehandelt hat. Ob er selbst unter Drogen stand, wollten weder Polizei noch Staatsanwaltschaft mit Blick auf die genauen Todesumstände sagen.

Die Proben werden vor Ort untersucht.
Die Proben werden vor Ort untersucht.
Silvio Kison Lizenz