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Digital AG in Halle Digital AG in Halle: DDR-Rechentechnik statt Flaschen

Von Sandy Schulze 02.11.2015, 16:08
Alt, aber oho! Sebastian Czech sammelt Computertechnik aus DDR-Zeiten.
Alt, aber oho! Sebastian Czech sammelt Computertechnik aus DDR-Zeiten. Silvio Kison Lizenz

Halle (Saale) - Unter den abgekratzten Buchstaben lässt es sich noch blass erahnen. „Getränkemarkt“ stand vorher groß über dem Eingang geschrieben. Vor einem Jahr haben sich dort allerdings nicht nur die Öffnungszeiten - jetzt freitags 18 bis 1 Uhr oder nach telefonischer Vereinbarung - geändert. Wer heute in der Saalfelder Straße 11 durch die Tür geht, landet im „Rechenwerk“, dem Museum für Rechen- und Computertechnik aus der DDR. „Manchmal kommen hier aber immer noch Leute vorbei, um ihr Leergut abzugeben“ sagt Sebastian Czech leicht ratlos, seufzt und stellt seinen voll bepackten Pappkarton in einer Ecke ab. Er hat für Nachschub gesorgt, das Museum wächst. Und manchmal wünscht sich der 33-Jährige schon jetzt, noch mehr Platz für die vielen Ausstellungsstücke schaffen zu können.

Digital AG seit 20 Jahren

Über 1.000 Geräte - von Taschenrechnergröße bis zu Kleiderschrankmaßen, von Rechen- und Schreibmaschinen, Klein- und Großrechnern bis hin zu Fernschreibern und den beiden Polyplay-Spielautomaten - müssen auf 600 Quadratmetern untergebracht werden. „Wir haben hier nur ein Rauschen dessen, was hergestellt wurde. Es gibt noch komplette Geräteklassen, die uns fehlen“, erklärt Czech. Die Digital AG, die das Museum betreibt und deren Ursprünge fast 20 Jahre zurückgehen, ist deshalb ständig auf der Suche nach verlorengeglaubten Apparaten und Ersatzteilen. Ein fester Kern von sechs Mitgliedern geht dann auf Tour, von Eichstedt bis Rügen oder Cottbus. „Wenn alles gut geht, kommen wir in eine Fabrik vorgefahren, und alles steht schon zur Abholung bereit“, sagt der studierte Mechatroniker.

Der Computer-Rettungsdienst

Wenn es nicht gut geht, dann fallen Worte wie Extrembergung oder Einsturzgefahr - wie bei Aktionen in maroden Bürogebäuden. „Wir bewegen uns in solchen Situationen auf eine bestimmte Art weiter“, sagt Sebastian Czech und streckt die Arme zur Seite aus, „Für den Fall, dass der Boden unter uns nachgibt. Bisher kam aber nur ein Mal vor, das jemand so steckengeblieben ist“.

Zuletzt wurde unter derart fordernden Bedingungen ein Organisationsautomat im Harz geborgen. Das schwere Gerät steckte zwischen zwei Stockwerken und wurde teils von einem massiven Schrank bedeckt. Es brauchte einige Anläufe, bis der Automat sicher abtransportiert werden konnte. Jetzt kann das historische Stück auch im Museum begutachtet werden.

Verleih an UFA-Produktionen

Zwischen 40 und 50 Stunden pro Monat verbringt Sebastian Czech hier. Hauptberuflich repariert er elektronische Musikinstrumente wie Keyboards und Synthesizer und investiert seine Zeit wie die anderen Mitglieder ehrenamtlich in das Museum. Auch die Kosten, angefangen beim Kauf der alten Getränkehalle, tragen sie selbst. Etwas Geld fließt über Spenden durch Firmen oder Besucher ein oder über den Verleih von Ausstellungstücken an Filmproduktionsfirmen, wie für das UFA-Geheimdienstdrama „Deutschland 83“. Der Achtteiler soll Ende November im Fernsehen ausgestrahlt werden, dann wird auch 80er Jahre Bürotechnik aus dem Museum in Halle zu sehen sein.

„Zeit für Freunde und Familie bleibt auch neben der AG genug“, sagt Sebastian Czech. Ohnehin wird es dem Hallenser auch ohne Technik nicht langweilig. Dann schneidert er eben. Oder malt - ganz ohne Computer und Grafiktablet, sondern mit Acrylfarben oder Tusche. (mz)