Liebe fürs Akkordeon Dieser Hallenser wurde für eine Oscar-Nominierung vorgeschlagen
Wie ein in Teutschenthal spielender Film dem Musiker Thomas Wittenbecher aus Halle den Vorschlag für eine Oscar-Nominierung einbrachte.

Halle (Saale)/MZ - Eine tragende Rolle in dem Film „Schultze gets the blues“, der im Rahmen der Defa-Filmtage am Freitag in Merseburg zu sehen war, spielt ein eher ungewöhnliches Instrument: Das Akkordeon. „Es sind die vielen Facetten, die Möglichkeiten, die faszinieren“, beschreibt Thomas Wittenbecher aus Halle dessen besonderen Reiz. Ohne selbst zu sehen zu sein, wirkte er maßgeblich an dem Streifen aus dem Jahr 2003 mit, der zu großen Teilen „in einem kleinen anhaltinischen Ort nahe der Saale“ spielt, wie es in einer offiziellen Filmbeschreibung steht. Konkreter: in Teutschenthal im Saalekreis.
Denn der titelgebende Hauptprotagonist Schultze spielt in dem Streifen Akkordeon. Naja, er hat so getan. „Das war eine traumhafte Zusammenarbeit mit Horst Krause“, sagt Wittenbecher über den Darsteller von Schultze. „Ich habe ihm ein gefaktes Akkordeon präpariert. Er hat mich beobachtet und das dann nachgemacht. Und das hat er sehr gut hinbekommen“, lobt Musiker Wittenbecher die Leistung Krauses. „Er imitiert das Akkordeon spielen. Das hat großen Spaß gemacht.“ Die tatsächliche Filmmusik spielte er natürlich selbst ein.
„Hier bin ich verwurzelt“
Wittenbecher ist in Mitteldeutschland aufgewachsen. „Hier bin ich verwurzelt“, sagt der Akkordeonist. „Ich stamme zwar aus Halle, aber man durchforstet ja die Umgebung. Es ist eine sehr spannende Landschaft, auch durch den Bergbau und dessen Strukturen.“
Wortreich werden seine Antworten, fragt man Wittenbecher nach seinem Akkordeon. „Es ist ein Instrument wie ein Ein-Mann-Orchester“, beginnt er. „Die Tastatur für die Melodien und die Bässe als Begleitung. So entsteht ein sehr breites Klangspektrum: Klarinette, Geige, Kirchenorgel, das Instrument bietet sehr viele Möglichkeiten, und dadurch wird es so spannend. Mit der Trompete kann man einen Ton blasen. Aber mit dem Akkordeon hat man potenziell zehn Töne“, schwärmt der Musiker. Und läuft sich gerade erst warm für eine echte Liebeserklärung an sein Instrument.
Ein Ritterschlag
„Durch den Blasebalg ist das Ganze wie ein lebender Organismus, wie eine Lunge. Am Klavier schlägt man die Töne an, und die verklingen dann. Aber mit dem Akkordeon kann man die Töne halten. Der Balg ist also wirklich wie eine Lunge. Und die Bassseite könnte man als Herzschläge umschreiben. Über die Klaviatur läuft dann das Leben und werden die Geschichten erzählt.“ Geschichten wie jene von Schultze, den das Instrument - ohne zu viel zu verraten - auf eine Reise fern seiner Heimat entführt. Und so dem Film zu einer Vielzahl internationaler Auszeichnungen verhalf. Unter anderem wurde Wittenbecher für eine Oskar-Nominierung für die beste Filmmusik vorgeschlagen. Ein Ritterschlag.
Nun also die Merseburger Defa-Filmtage - erstmals Open Air -, zu denen der Akkordeonist am vergangenen Freitag zur Vorstellung von „Schultze gets the blues“ selbst zugegen war und für eine musikalische Untermalung sorgte. „Absolut vorbildliche Kulturarbeit“, kommentiert er das Festival. „Es wäre schön, wenn es in kleinen Städten mehr solcher Projekte gäbe.“