Stadtteil Diemitz Diemitz in Halle (Saale): "Zwiebel-Diemitz" war einst der Gemüsegarten von Halle

Halle (Saale) - So wie jedes Haus einst seinen Küchengarten hatte, so hatte Halle sein Diemitz: Das östlich gelegene Dorf war dank der umliegenden Äcker sozusagen der Gemüsegarten der Stadt. „Hier gab’s die besten Böden weit und breit“, weiß Lutz Schiemann. Und darum, so der Kirchenälteste der kleinen Diemitzer Gemeinde, sprechen die Alteingesessenen noch heute liebevoll von „Zwiwwel-Diemz“ - „Zwiebel-Diemitz“.
„Zwiebel-Diemitz“: Noch heute sieht man hier Gehöfte der früheren Großbauern
Fünf Großbauern habe es noch in seiner Kindheit im Dorf, das 1950 eingemeindet wurde, gegeben, weiß Schiemann, Jahrgang ’44. Später, mit der Kollektivierung der Landwirtschaft, seien fast alle vertrieben worden. Noch heute könne man alte Gehöfte in Diemitz finden. „Wir waren als Kinder immer dabei, wenn die Ernte, Heu und Stroh eingefahren wurden“, erinnert sich Schiemann, der zwar kein gebürtiger Diemitzer, aber im zarten Alter von vier Jahren mit seinen Eltern vom Geburtshaus in der Freiimfelder Straße nach Diemitz umgezogen ist. Zum Glück, wie er sagt - denn in Diemitz lässt sich’s leben.
Diemietz war einst ein Sumpfdorf
Eine lange Geschichte hat der Ort, der zu Zeiten der slawischen Eroberungszüge zwischen dem 6. und 9. Jahrhundert noch Demenitz hieß. Der Name lässt darauf schließen, dass es sich um eine sorbische Siedlung handelte. Gegründet wurde das Dorf noch vor dem 9. Jahrhundert, und Urkunden belegen, dass das Dorf samt Gut um das Jahr 1370 im Besitz war von Henricus und Bertram Peisker aus Halle - deren Familie auf ein altes hallesches Schöffen- und Pfännergeschlecht zurückgeht.
Ab 1545 gehörte der Klosterhof zum Gerbstedter Nonnenkloster. Die sich im Diemitzer Kloster ansiedelnden Mönche unterwiesen die Dorfbewohner, wie sie die sumpfigen Böden rund um Diemitz - dessen wortwörtliche Übersetzung Sumpfdorf lautet - urbar machen könnten. Der Ackerbau entwickelte sich...
Diemitz in Halle (Saale): Feuer brannte einst das ganze Dorf nieder
Auf dem Gelände des ehemaligen Klosters wurde auch eine Kirche gebaut. Allerdings hat sie erstaunlicherweise nicht wie üblich im Zentrum des Ortes ihren Platz, sondern eher am Rande. Warum? Einer, der diese Frage historisch fundiert beantworten kann, ist Karl Heinz Mittelbach.
Der 77-Jährige ist seit Jahrzehnten Chronist des Ortes, sammelt alles, was es zu seinem Heimatort Diemitz zu sammeln gibt: Postkarten, Dokumente, Fotos und Schriftstücke. Und so ist in seiner Diemitzer Chronik zu lesen, dass aufgrund einer Fehde zwischen den Erzbischof Graf von Schwarzenburg und der Stadt Halle am 22. Juli 1414 Vater und Sohn des Grafen - Günther und Heinrich von Schwarzenburg - das gesamte Getreide vor den Toren der Stadt Halle in Brand gesetzt haben.
Das Feuer brannte das ganze Dorf bis auf die Grundmauern der Kirche nieder. Als Schadenersatz übertrug der Erzbischof den Bauern einige westlich der Kirche gelegene Ländereien. Das Dorf entstand auf diese Weise von Neuem, doch die 1649 wieder aufgebaute und im 19. Jahrhundert erweiterte Kirche „Johannes der Täufer“ blieb bis in die Gegenwart eher am Rande.
Das tut ihrer Schönheit aber keinen Abbruch - im Gegenteil: Die Gemeinde um Schiemann kümmert sich vorbildlich um das Gotteshaus, in dessen Inneren ein sehr moderner Altar überrascht - gestaltet vom halleschen Maler Bernd Baumgart.
Diemitz in Halle (Saale): Vieles ist entstanden, vieles verschwunden
Und während auf der östlichen Seite Richtung Dautzsch die Teppichdomäne angrenzt, deren Lagerhalle das Baumaterial für die noch zu DDR-Zeiten geplante Stadthalle beherbergen sollte, hat sich in Diemitz nach langem Dornröschenschlaf nach der Wende einiges verändert. So gibt’s zum Beispiel gleich neben der Kirche ein Neubauviertel - von den Diemitzern in Anspielung auf den Investor auch „Italiener-Viertel“ genannt.
Vieles ist entstanden, vieles verschwunden: „Wir hatten allein fünf Gaststätten in Diemitz“, so die beiden Männer, die sich vor allem gern an die „Eiche“ erinnern. „Als Kinder waren wir dort oft im Kino, später war es das Klubhaus der Eisenbahner“, so Karl Heinz Mittelbach. Alles wurde gefeiert: Hochzeiten, Jubiläen, Geburtstage. Heute steht dort ein Autohaus.
Überhaupt steht vieles nicht mehr - oder wird anders genutzt. Auf dem Robotron-Gelände ist eine Einfamilienhaus-Siedlung entstanden. Der Betriebsteil der Karosseriewerke, in dem der legendäre Wartburg Tourist gebaut wurde, ist Geschichte, ebenso die Nagelfabrik Spatz an der Fritz-Hoffmann-Straße, „Nagel-Spatz“ genannt.
Auch die Diamalt-Fabrik in der Otto-Stomps-Straße, in der zu DDR-Zeiten Bonbons hergestellt wurden, ist nur noch Industrieruine. Sogar der Kölner Karneval wurde damals, zu DDR-Zeiten, mit dem süßen Exportartikel beliefert - quasi „Kamelle für Kölle“.
Diemitz hatte mit „Fisch-Lehmer“ sogar einen eigenen Fischladen, und die noch heute für das beste Eis gerühmte Eisdiele Schmidt kommt ursprünglich aus Diemitz. „Und dort, wo heute Penny ist, war die Selterswasserbude“, weiß Schiemann. Da hat man sich als Diemitzer früher verabredet. So etwas vergisst man nicht. (mz)