Die heißeste Stunde des Tages Die heißeste Stunde des Tages: Schwitzen in Klinik, Stall und Sauna
Halle/Saalkreis/MZ. - Gitta Schlösinger kennt die ungläubigen Blicke, wenn sie erzählt, an welchen Ort sie sich in der brütenden Hitze besonders gern zurückzieht: in die Sauna. Gemeinsam mit Nichte Franziska Sturm verbrachte sie auch den gestrigen Nachmittag im Saunadorf des Maya Mare, in deren heißester Schwitzkabine immerhin 110 Grad herrschen. "Ich würde es jedem Freibad vorziehen", meint die 52-Jährige, "denn nach drei Aufgüssen spürt man die Hitze überhaupt nicht mehr". Sie war bei weitem nicht die einzige Hallenserin, die es in die Sauna zog. "Unsere Stammkunden lassen sich auch von der Hitze nicht abschrecken", meint Sauna-Chef Thomas Hampel. Er hat das ganze Jahr über einen heißen Arbeitsplatz. "Durch das häufige Schwitzen bin ich ziemlich abgehärtet", meint er. Im Stundentakt muss Hampel für zehn Minuten in die freistehende Schwitz-Blockhütte im Außenbereich. Immerhin 18 Gäste warten dort auf den Aufguss. Minzöl gibt es diesmal dazu, "das erhöht den Erfrischungsgrad", so Hampel. Darüber geht nur noch eins: das eiskalte Tauchbecken.
Heißes Halle? Wer so was denkt, den bittet Hürol Kurt gleich mal in seinen Wagen. Die Brathähnchen im Rücken, den halleschen Marktplatz vor Augen, wird es an seinem Arbeitsplatz gut und gerne 60 Grad warm. Wie er das aushält? Alles eine Frage der Psychologie. Und in seinem Heimatland, der Türkei, hat er schon Temperaturen von weit über 40 Grad erlebt. Vier Mittel hat der 43-Jährige, der seit 1991 in Halle lebt, gegen die Hitze. Erstens: ein kleines Handtuch, mit dem er sich den Schweiß abwischt; zweitens: drei 1,5-Liter-Flaschen stilles Wasser, das im Laufe eines Arbeitstags seine Kehle hinabläuft; drittens: einen kleinen Ventilator und viertens: "meine netten Kunden".
"Ich muss Sie enttäuschen", sagt Dr. Jürgen Barth schmunzelnd. Patienten mit Hitz- oder Herzschlag seien nicht eingeliefert worden ins Krankenhaus Bergmannstrost. "Trotzdem", sagt der Chefarzt der Inneren Medizin, "haben wir viele Hitzeopfer." Etwa 20 Prozent derjenigen, die in die Notaufnahme kommen, haben Beschwerden wegen der hohen Temperaturen. Meist seien es ältere Menschen. "Sie vergessen einfach, mehr zu trinken." Das hält man zwei, drei Tage durch, dann macht der Körper schlapp. Vor allem der Verbrauch an Infusionslösungen habe im Krankenhaus darum in jüngster Zeit deutlich zugenommen. Grund zur Hysterie sieht Barth indes auf keinen Fall. Es sei doch eigentlich so ein schöner Sommer.
Die Stalltüren stehen offen, aber Bauer Johann Hertama perlt der Schweiß von der Stirn. Kein Wunder, im Melkstand in Wettin herrschen 45 Grad Celsius. Trotzdem müssen die 145 Kühe gemolken werden, natürlich. Zwei Stunden harte Arbeit. Dann sind mehr als 3 000 Liter Milch im Tank. Dort brummen die Kühlaggregate; das Thermometer zeigt vier Grad an. Johann Hertama, 66 Jahre alt, erfrischt sich am liebsten mit Quellwasser. Er sagt: "Den Kühen geht es an heißen Tagen wie den Menschen." Die Tiere schwitzen, haben wenig Appetit und neigen zur Kurzatmigkeit. Werden sie überlastet, sinkt die Leistung.
"Im Schatten", stöhnt Sven Dammann, "wäre es jetzt schöner". Der 28-Jährige flitzt als Fahrradkurier mit einem Mountainbike durch Halle, hat in den letzten zwei Stunden 30 Kilometer geschafft. "Bei über 30 Grad ist das schon anstrengend", sagt der Student der Wirtschaftsinformatik, ein wenig außer Puste. Der Fahrtwind wirke zwar durchaus erfrischend. "Doch sobald ich anhalte, bin ich sofort schweißnass." Bei diesem Wetter fühlt er sich wie bei einer Pyrenäen-Etappe der Tour de France: "Bei solch einer Hitze kann man sich vorstellen, wie das ist."
Die Asphaltiermaschine läuft wie ein Uhrwerk. Genauso legen sich Vorarbeiter Hans-Jürgen Winter und seine Kollegen von der Firma Hall-Bau ins Zeug. Zügig - als ob überhaupt keine sengende Hitze herrschen würde - bringen sie auf einer Straße in Peißen eine neue Deckschicht auf. "Bei mir hier oben sind es gut und gerne 50 Grad", ruft Jan Heilek vom Führerstand herunter. Inzwischen kommt der nächste von insgesamt 40 Lastern mit neuem Mischgut, dockt vorn an der Maschine an und kippt die 180 Grad heiße Masse langsam auf ein Förderband. Den 20-jährigen Heilek erreicht dann ein Schwall brütend heißer Luft. Horst Kaßner und Albrecht Köbel, die hinter dem Straßenbaukoloss auf dem frischen Asphalt herlaufen und die Verarbeitung überwachen, ergeht es nicht besser. "Wir haben hier hinten auch mindestens 50 Grad. Schließlich ist der aufgetragene Asphalt immer noch 120 Grad heiß", sagt Kaßner.