Diakoniewerk Halle Diakoniewerk Halle: Probezeit mit Haube und in Jeans
Halle/MZ. - Christel Butterweck weiß, dass ihr Vorhaben heutzutage ungewöhnlich ist; nicht nur im Diakoniewerk, sondern auch in anderen Schwesterngemeinschaften sucht man nach jüngeren Leuten vergebens.
Die 44-jährige promovierte Pfarrerin und Kirchenhistorikerin hat sich trotzdem für diesen Schritt entschieden, weil sie als Diakonisse ihren Glauben am besten mit einer praktischen Tätigkeit verbinden könne: Ab September wird sich die in Waldeck (Hessen) aufgewachsene Frau im Diakoniewerk als Gesundheits- und Krankenpflegerin ausbilden lassen - von der Pike auf, mit allem, was dazu gehört.
"Die Kombination von Pfarrerin und Krankenschwester ist ideal für mich", sagt Christel Butterweck, die dabei unter anderem an Schwerkranke im Diakonie-Krankenhaus denkt.
Ihr liegt es sehr am Herzen, den Gedanken der Diakonie wieder lebendig werden zu lassen. Nur weil sich für eine gute Idee zeitweise niemand interessiere, müsse diese Idee ja nicht veraltet sein. Natürlich werde sie die Tracht, an der die Nähstube gerade arbeite, samt weißer Haube tragen. "Schon deshalb, um von Patienten und Mitarbeitern, aber auch auf der Straße, gefragt zu werden, warum ich das tue." Dann könne sie prima "Werbung" für eine gute Sache machen und eventuell auch andere zu diesem Schritt ermutigen.
Denn ganz so streng ist die brandneue Lebensordnung für die Diakonissen nicht mehr. So ist es in Halle nun möglich, für eine befristete Zeit oder aber für ein bestimmtes Projekt der Gemeinschaft beizutreten. Zudem gibt es noch andere Formen der diakonischen Mitarbeit, die für jedermann in Frage kommen.
Aber Frau Butterweck hat sich längst für "lebenslänglich" entschieden, sofern sie die Probezeit besteht. Neu wird das Leben als Diakonisse für sie nicht sein. Im nordhessischen Bad Arolsen hat sie bereits in einer solchen Gemeinschaft gelebt. Doch das Mutterhaus dort existiert in seiner ursprünglichen Form nicht mehr.
Deshalb suchte sich Christel Butterweck eine andere Arbeit und kam vor rund zwölf Jahren zur Theologischen Fakultät der Uni Halle und dem angegliederten Zentrum für Pietismusforschung. Vergangenes Jahr nahm sie dann den Auftrag an, die Geschichte der halleschen Diakonie als "Biografie einer evangelischen Institution" zu schreiben, die 1857 begann. Das Manuskript für das rund 250 Seiten dicke Buch ist fast fertig. Wie sie sagt, habe sie dabei schnell gemerkt, dass sie sich im Diakoniewerk Halle geborgen, eben wie zu Hause fühle. "Das war dann der Punkt, mich zu bewerben."
All das hält die vielseitig interessierte Frau nicht ab, an der Uni noch Russistik und Arabistik, also Sprache und Kultur der Länder, zu studieren. Als reines Hobby, wie Frau Butterweck sagt, die schon als Schülerin freiwillig Russisch-Unterricht nahm und beide Kulturkreise "sehr spannend" findet.
Fast hätte es einst mit einer Pfarrstelle in Sibirien geklappt. Aber nur fast. Weshalb sie sich mit ihrem Freund privat in Sibirien umsah. Reisen dürfen bei ihr ruhig ein bisschen abenteuerlich sein. Und was den Freund angehe - eine Ehe oder Lebensgemeinschaft komme für sie nicht in Frage. Obwohl es schon Mutterhäuser gebe, in denen auch verheiratete Diakonissen leben.
In Zukunft wird sie im Mutterhaus ganz oben unterm Dach wohnen. Die Tochter eines Möbel- und Kunstschreiners ist dabei durchaus in der Lage, ihr Zimmer selbst zu tapezieren oder Fußbodenbelag zu verlegen: "Mit solchen Arbeiten habe ich mir schon als Studentin Geld verdient." Auch werde man sie ab und an in Jeans sehen - immer dann, wenn sie sich auf ihr Fahrrad schwingt, um kilometerweite Touren zu machen, zum Beispiel am Kyffhäuser oder auch im Saalkreis.