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Der Rotschopf hat's gepackt

Von Kornelia Privenau 24.08.2005, 15:23

Halle/MZ. - "Ohne Hilfe hätte ich es nicht geschafft." Anne (Namen geändert) streift eine rote Haarsträhne aus der Stirn und fährt fort: "Aber der Realschulabschluss war mein Ziel."

Anne gehört seit langem zu jenen Kindern und Jugendlichen, die regelmäßig den "Blauen Elefanten" ansteuern. Weil sie zu Hause genervt werden, nicht genügend Aufmerksamkeit finden, Kumpels treffen wollen oder gegen Langeweile kämpfen; jeder nennt andere Gründe. Und manchmal kommen sie auch wegen der Hilfe bei den Hausaufgaben. "Meine Mutter hat gemeint, 'ich kann dir nicht helfen, such' dir Hilfe", sagt Anne, deren Eltern nicht sehr gesund sind, die noch zwei Geschwister hat.

In gewisser Weise - das räumt die junge Frau auch ein - hatte sie Riesenglück, "dass ich nicht allen egal war". Die häuslichen Probleme entmutigten Anne nicht. In der Schule lief es nicht gut, am Ende hielt sie nur den Hauptschulabschluss in den Händen. Anne wollte mehr. "Ich hatte viel Unterstützung, bei den Lehrern und bei Brita und Carola. Auch meine Klassenkameraden waren alle okay", sagt die temperamentvolle Frau und dreht den Kaffeepott in den Händen.

Brita Zippel ist wie Carola Richter Sozialpädagogin. Beide waren eingesetzt in der Sekundarschule, die Anne besuchte. "Mir ist dieses Power-Mädchen gleich aufgefallen", sagt Brita Zippel. In der steckt mehr, meinten die beiden Frauen. Und sie boten ihr an, mit ihr zu büffeln. Und wie sie gebüffelt hat. "Selbst die Lehrer waren baff über so viel Energie", sagt Brita Zippel. Brita und Carola spielten alle Prüfungsthemen mit der Schülerin durch, sogar die Prüfungssituation selbst. Anne sollte ein Gefühl für die Belastung bekommen. Sie packte alle Prüfungen, Französisch, Mathe, ja selbst Schillers "Kabale und Liebe" ("ich hatte so auf eine Fabel gehofft") waren keine Hürde. Im Juni 2005: Realschulabschluss!

Einen Monat zuvor bekam sie mit Hilfe ihrer Betreuerinnen eine eigene Wohnung. Ämterwege. Anne verdreht ihre hübschen Augen. "Brita und Carola halfen wieder. Ich wusste ja gar nicht, was mir alles zusteht. Und eine Lehrerin schenkte mir ihre gebrauchte Küche. Ich war happy", sagt Anne, die jetzt ein freiwilliges soziales Jahr in einem Altenheim absolviert und auf eine Lehrstelle als Altenpflegerin hofft. Doch die Probleme hören nimmer auf: Der Wasseranschluss für die Küche fehlt noch. Geld hat Anne nicht - Kino, Disko, neue Klamotten und der Frisör - alles wird mühsam angespart. "Vielleicht gibt es ja einen netten Helfer, der den Anschluss kostenlos legt", so Brita Zippel, "er kann sich beim Kinderschutzbund melden unter Telefon 0345 / 7704987."