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Der Pferdekopf von Salzmünde

Von Kornelia Privenau 15.12.2006, 17:59

Salzmünde/MZ. - Kern ist Grabensystem

Der Ort und seine Archäologen, so Bürgermeister Gerd Kalbitz (parteilos) zu Beginn, das ist längst mehr geworden als eine gute Nachbarschaft. So hatte der Heimat- und Geschichtsverein neben einem Präsentkorb noch eine Überraschung für die Forscher: einen Satz weißblauer Schirmmützen.

Grabungskoordinator Christoph Sommerfeld stellte mit Luftbildern - aufgenommen aus einem Leichtmetallflugzeug und mit der Minikamera eines ferngesteuerten Helikopters - das große Salzmünder Erdwerk vor. Dieses Doppelgrabensystem ist das Kernstück der archäologischen Grabung 2006. Funde wie der Schädel des ältesten Pferdes in Sachsen-Anhalt und die Tonscherbe mit dem Bogenschützen sorgten für großes Beachtung in Fachkreisen. Bei parallel zu den Grabungen angestellten Forschungen, so der promovierte Archäologe, sei man auf ein Luftbild gestoßen, das die Alliierten 1945 aufgenommen hatten. Etwas Vergleichbares aus dieser Zeit gibt es nicht. In der Winterpause werde jetzt mit allen Informationen ein digitales Höhenmodell erstellt, um die Topografie des Erdwerkes erkennbar zu machen.

Vor einem Scherbenhaufen im wahrsten Sinne des Wortes stand der Archäologe Torsten Schunke in diesem Jahr häufig. Salzmünder Kultur - wie entstand der Name? Generell, so Schunke, geben Fundorte der Kultur den Namen. In Salzmünde war das lange vor den aktuellen Ausgrabungen. Der Archäologe Paul Grimm benannte zu Beginn des vorigen Jahrhunderts die Salzmünder Kultur. Alle Keramiken haben ihrer Kultur entsprechend wiederkehrende Merkmale und unterlagen steinzeitlicher Mode.

Eine Lanze für martialisch anmutende Bestattungsriten brach die Anthropologin Dr. Sandra Pichler. Apokalyptisch mögen sie wirken, die "weggeworfenen" Skelettteile in den Gruben oder die fehlenden Unterkiefer. Aber: Die Steinzeitler nahmen ihre Toten mit, wenn sie Lebensraum suchten und bestatteten sie dort erneut. Die Skelettreste sind also kein Ausdruck von Geringschätzung, wohl eher das Gegenteil. Pichler: "Wir haben über 200 Individuen aus Trichtergruben geborgen. Die Gruben sind typisch für Salzmünder Bestattungen."

Ein Baby und ein König

Ein "Baby", ein "König" und ein verschwundenes Hügelgräberfeld der frühen Bronzezeit beschäftigen den Archäologen Boguslaw Duchniewski. Letzteres war weder bei Begehungen der Fläche noch durch Fotos erkennbar. Es wurde erst vor kurzem entdeckt - die Kreisgräben. Der kleinste hat einen Durchmesser von fünf ("Baby"), der größte einen von 20 Metern ("König").

Die Freilegung der Kreisgräben brachte eine Sensation mit sich, die, so der promovierte Archäologe Helge Jarecki, die Fachwelt aufhorchen lasse: Den Beweis für einen prähistorischen Altweg, der die Kreisgräben berührt. Er besteht aus zwei nebeneinander verlaufenden Hohlwegen mit "Fahrspuren" vom Viehtrieb. In Mitteldeutschland ist der Befund einmalig.