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Das Fotografenschlösschen Das Fotografenschlösschen: Rettung für eins der schönsten Gebäude Halles in Sicht

Von Detlef Färber 20.10.2019, 10:00
Fritz Möllers Haus um 1900 am heutigen Joliot-Curie-Platz
Fritz Möllers Haus um 1900 am heutigen Joliot-Curie-Platz Möller

Halle (Saale) - Lange hatte es in einer Art Dornröschenschlaf geruht, das Haus an der halleschen Oper. Auch ohne Dornenhecke und trotz zentraler Lage schien es inzwischen etwas in Vergessenheit geraten zu sein. Dabei war das Haus am Joliot-Curie-Platz 1 samt seinem Zwilling oberhalb mit der Nummer 1a eines der attraktivsten seiner Art in der Innenstadt - und kann und soll es auch schon bald wieder werden, denn am Haus haben die Bauarbeiten begonnen.

Davon zeugt nun auch schon seit einiger Zeit ein Baugerüst, doch hat sich die Sanierung noch einmal verzögert wegen der umfangreichen Straßenbauarbeiten im Rahmen des laufenden Stadtbahnprogramms - und einer archäologischen Grabung, die ein Stück Stadttor zum Vorschein gebracht hatte.

Größtes Atelier seiner Art

Das passt zu der bemerkenswerten Vorgeschichte des Hauses, das vor nun genau 120 Jahren erbaut, beziehungsweise nach einjähriger Bauzeit fertig geworden war. Als Erbauer sind die Architekten Albert und Ernst Giese aktenkundig, ausgeführt hatte die Arbeiten die Baufirma Karl Lingsleben - für den Kaufmann Ochse (Nr. 1a) und als Wohn- und Geschäftshaus für den Fotografen Fritz Möller (Nr. 1), der hier sein zur damaligen Zeit deutschlandweit - wie vermutet wurde - größtes „Photographisches Atelier“ unterbringen konnte.

Eine eigene Geschichte mit diesem Fotografenschlösschen haben übrigens auch die beiden heutigen Architekten, die mit der Sanierung des Hauses befasst sind - denn: In den 1980er Jahren hatten Jörg Rose und Ulrich Radetzki just in diesem Haus ihr Büro, das zum halleschen Wohnungsbaukombinat (WBK) gehörte - bevor sie in die heutige Magdeburger Straße ins Baumontagekombinat (BMK) wechselten, das unter anderem mit dem Bau des am Hallmarkt geplanten Kulturpalasts befasst war.

Stapel von Fotos auf Glasplatten gefunden

Ein Projekt, das 1990 nach umfangreichen Tiefbauarbeiten mangels weiterem Palast-Bedarf beerdigt werden musste. Auch am Bau des Neustädter Rathauses waren sie in jenen Jahren beteiligt. Dass die beiden Architekten, die sich gleich nach 1990 selbstständig machten, nun vorübergehend an ihren alten Wirkungsort zurückkehren, freut sie natürlich ganz besonders.

Einem Zufall, der auch mit Bauen zu tun hatte, ist es übrigens zu danken, dass wir heute ungewöhnlich viel von der Geschichte Fritz Möllers und von seinem Haus wissen. Es war in den 1950er Jahren, als der hallesche Bauunternehmer Hanns Grote bei der Entrümpelung des Hauses am Joliot-Curie-Platz einen Stapel von Fotos auf Glasplatten fand, die er buchstäblich vom Schutt-Container fischte und zunächst aufbewahrte.

Ausstellung mit den Halle-Fotografien

In den 1990 Jahren kamen sie dann in die Hände des Radiologen Thomas Steuber, der von den Platten Bilder machen ließ und zunächst eine Ausstellung mit den Halle-Fotografien veranstaltete. Anschließend hat die Schriftstellerin Simone Trieder die Möller-Geschichte recherchiert und - quasi pünktlich zum hundertjährigen Bestehen des Fotografenschlösschens - entstand das erste Fritz-Möller-Buch „Halle um die Jahrhundertwende“.

Etwa zur gleichen Zeit hatten Steuber, Trieder und der Maler Moritz Götze auch Kontakt mit Volker Möller, dem Enkel des Fotografen aufgenommen, der ihnen eine sensationelle Bildersammlung zur Verfügung stellte, aus der schon bald das zweite Buch werden sollte: „Die Selbstinszenierungen des Fritz Möller“ oder „Möllers Photo-Theater“, wie der Kunsthistoriker T.O. Immisch das Projekt damals nannte: Es sind insgesamt 219 Selbstinszenierungen des Fotografen, mit denen er unter anderem die verschiedenen menschlichen Temperamente ins Bild setzte - am eindrucksvollsten wohl das des Melancholikers.

Aus Bergen (Rügen) stammt Fritz Möller (1860 bis 1923). Er absolvierte in der Nähe von Stettin zunächst eine Apothekerlehre und erlernte anschließend das noch junge Fotografenhandwerk, mit dem er in den folgenden Jahren weit herumkam und in Ateliers unter anderem in Basel, Regensburg und Leipzig tätig war, ehe es ihn an die Saale nach Halle verschlug, wo er 1890 das Fotoatelier Carl Höpfner übernahm.

Zur Zweihundertjahrfeier der halleschen Universität lieferte er eine Serie mit den Porträts von 127 Gelehrten und gewann im Jahr 1897 eine Goldmedaille bei der Sächsisch-Thüringischen Industrieausstellung in Leipzig mit seinen „Physiognomischen Tafeln“. Das war auch sein Sprungbrett zu der berühmten Pariser Weltausstellung des Jahres 1900, wo Fritz Möller mit dem gleichen Projekt von „Selbstinszenierungen“ eine Bronzemedaille gewann. Andere Neuheitspräsentationen waren damals etwa die Rolltreppe, der Oberleitungsbus und der Film.

Dieses beispiellose Projekt eines Enthusiasten zeigt zugleich das große schauspielerische Talent Möllers und seine enorme mimische Wandlungsfähigkeit, die auch aus heutiger Sicht noch als wahre Fundgrube gelten darf. Möller hatte sich zugunsten seines Vorhabens eigens seinen auf dem Gipfel der Wilhelminischen Ära und dieser halleschen Glanzzeit fast schon unverzichtbaren Bart abrasieren lassen.

„Durch Arbeit zum Glück“

Und er hat sich (und Halle) mit den Selbstinszenierungen ebenso eine Art Denkmal geschaffen wie mit seinem Haus, das von Möllers Wohlstand oder zumindest von den Wohlstands- und Glücksaussichten des Fotogewerbes zur damaligen Zeit zeugt: „Durch Arbeit zum Glück“, lautet dann auch eine Inschrift über dem Sitznischenportal - wobei die parallele Inschrift im Nachbarhaus (1a) „Schauen ist leichter als Bauen“ ebenso auf die Möllersche Doppelhausseite zutraf - und wohl bald wieder zutreffen wird: als Fazit eines ebenso anspruchsvolles wie attraktiven Projekts.

Doch wann wird es wieder in altem Glanz zu bewundern und für seine neuen Bewohner zu nutzen sein? Architekt Rose sagt, dass man nach dem verzögerten Baubeginn in diesem Sommer im kommenden Jahr 2020 sicher fertig sein werde.

Zeit genug, sich an einem der schönsten Plätze der halleschen Innenstadt schon mal auf einen neuen Blickfang zu freuen. (mz)

Fritz Möllers Haus jetzt eingerüstet zu Beginn seiner Sanierung.
Fritz Möllers Haus jetzt eingerüstet zu Beginn seiner Sanierung.
Lutz Winkler
Fritz Möller im Porträt
Fritz Möller im Porträt
Möller
Fritz Möller - Selbstbild als Melancholiker
Fritz Möller - Selbstbild als Melancholiker
Möller