Dartsport boomt Dartsport boomt: Warum ein Hallenser jetzt gegen einen Ex-Weltmeister spielt

Halle (Saale) - Am 11. Januar schließt sich auf der Bühne des Berliner Hofbräu Wirtshauses ein Kreis. Vor hundertenden karnevalesk feiernden Zuschauern wird der hallesche Dartsspieler Yves Wawrzyniak die größte Partie seines Lebens absolvieren. Gegen den Engländer Rob Cross, ein ehemaliger Elektriker mit markanter Glatze, der sich 2018 den Weltmeistertitel sicherte.
Bei den Siegen von Cross im Halbfinale gegen den Dominator der Szene Michael van Gerwen aus den Niederlanden und im Finale gegen die englische Legende Phil Taylor fieberte damals in der halleschen Sportkneipe „Unikum“ auch Michael Gruß mit Kumpels mit. „Irgendwann haben wir uns gesagt, dass wir es auch mal probieren“, erzählt der zwei Jahre später, wieder im „Unikum“, an einem Mittwochabend im Dezember. In einer Stunde steht das Training der DSC Roter Stern Hallunken an.
Dart-Sport in Halle etablierte sich erst 2018
Die Geschichte des Dartklubs und mit ihm auch die Geschichte des organisierten Pfeilsports in Halle beginnt genau damals, vor zwei Jahren mit den ersten Hobbyversuchen in der Kneipe. „Einige, die schon mehr Fähigkeiten besaßen, haben das angeschoben, wir haben dann schnell regelmäßig gespielt“, erinnert sich Gruß an die Anfänge. Schnell war die Lust auf regelmäßigen Wettstreit geweckt. Wofür es allerdings professionelle Strukturen benötigte. Ein Verein, zu der Zeit gab es in Halle keinen, musste her.
Die Hallenser spielen nach den Regeln, denen auch die Profis bei der WM in London jedes Jahr folgen. Gespielt wird die Variante „501 - Double Out“. Das bedeutet, dass von einer Startpunktzahl von 501 runter auf Null gespielt wird. Der letzte Wurf muss in ein Doppelfeld, das ist der äußere schmale Ring auf der Scheibe, erfolgen - das sogenannte „Double Out“.
Am lukrativsten sind Würfe in „Triple“-Felder. Das ist der innere schmale Ring. Dort wird die Punktzahl verdreifacht. Ein Wurf kann daher bis zu 60 Punkte, durch einen Treffer der „Triple 20“, bringen.
Wer zuerst auf Null runtergespielt hat, gewinnt ein sogenanntes „Leg“. Je nach Spielvariante gewinnt der Spieler das Spiel, der zuerst eine vorgeschriebene Anzahl an „Legs“ gewonnen hat. Bei der WM wurde nach Sätzen gespielt. Drei „Legs“-Gewinne bedeuteten einen Satzgewinn.
Dass der damals gegründet wurde, hat auch viel mit Yves Wawrzyniak und Benjamin Güte zu tun. Die sitzen an diesem Mittwoch mit Gruß bei einem Bier im Unikum. „Die waren die alteingesessenen Spieler in Halle“, sagt Gruß. Wawrzyniak, der seit über zehn Jahren regelmäßig Darts spielt, und weitere ambitionierte Spieler aus Halle mussten für Ligapartien aber immer nach Merseburg. „Wir haben dann Druck gemacht, gesagt, dass wir rüberkommen wollen“, erzählt Benjamin Güte. Weshalb Michael Gruß, beim Roten Stern bereits als Fußballer aktiv, die Sache in die Hand nahm. Am 14. März 2018 wurde die Abteilung Darts des Roten Stern gegründet. „Wir haben gedacht, wir wären der Erste Verein“, erzählt Gruß. „Aber anderthalb Wochen vorher hatte sich in Giebichenstein auch schon ein Verein gegründet.“
Roter Stern Halle im Dart-Sport ganz vorn dabei
Deutlich erfolgreicher sind aber die Männer und Frauen vom Roten Stern. Obwohl der Verein noch keine zwei Jahre alt ist, ist die Entwicklung beachtlich. 22 Mitglieder gibt es derzeit, von denen „14 bis 16“, so Gruß, am Spielbetrieb teilnehmen.
Der ist vielfältig. Der Rote Stern nimmt mit zwei Teams an der „Mitteldeutschen Steel Dart Liga“ (MDSL) teil. In der sind Vereine aus Sachsen-Anhalt, Sachsen und Thüringen organisiert. In der höchsten Liga sind die Hallenser derzeit Zweiter, hinter den ebenfalls ungeschlagenen Leipzigern. Wer sich den Titel sichert und die Kosten nicht scheut, kann in der Aufstiegsqualifikation um einen Bundesliga-Platz kämpfen. „Die Leipziger haben gesagt, dass sie das machen wollen“, erzählt Güte.
Spieler: Dart bietet auch Anfänger schnelle Erfolgserlebnisse
Die Hallenser wollen sich selbst hinter dem Team aus Leipzig als zweite Kraft in Mitteldeutschland etablieren und den Unterbau stärken. „Ich würde gern mit drei Mannschaften am Ligabetrieb teilnehmen“, erzählt Michael Gruß über seine Vision. Weshalb Interessenten auch jederzeit willkommen seien. „Das Gute ist, dass man beim Darts auch schnell erste Erfolgserlebnisse hat“, sagt der Vereinsgründer aus Erfahrung. „Wenn du zwei Wochen regelmäßig spielst, bist du schon deutlich besser, triffst nicht mehr so willkürlich.“
Um so gut zu werden wie Yves Wawrzyniak, ist allerdings jahrelanges regelmäßiges Training notwendig. „Ich trainiere täglich eine Stunde“, erzählt der Sohn des ehemaligen HFC-Spielers Roland Wawrzyniak. Was sich auszahlt: Wawrzyniak ist nicht nur der beste Spieler des Roten Stern. Er ist sogar der stärkste Spieler Mitteldeutschlands.
Wawrzyniak: Dart-Spieler brauchen Killerinstinkt
In den Einzelwettbewerben, die die MDSL neben dem Teamwettbewerben durchführt, hat er sich zwei Jahre in Folge den Titel gesichert. Dafür braucht es vor allem eins: mentale Stärke. „Du brauchst einen Killerinstinkt“, sagt Wawrzyniak. Die Kunst im Dartssport liegt weniger in den Händen, sondern mehr im Kopf. Es gilt seine Qualität unter dem Druck des Wettkampfes zu zeigen, in entscheidenden Momenten nervenstark zu bleiben.
Weil das Wawrzyniak besser gelingt als den meisten anderen, hat er es nun auch zum Duell mit Rob Cross gebracht. „Ich spiele seit diesem Jahr bei den Turnieren des deutschen Dartsverbandes mit“, erzählt er. Dabei gewann er in Nürnberg gleich sein erstes Turnier. Der Neuling, der im Schnitt 18 Pfeile für ein Leg benötigt (siehe: „Von 501 wird runtergespielt“), spielte derart auffallend, dass er vom Organisator des Events in Berlin gefragt wurde, ob er nicht gegen Rob Cross in einem Showspiel antreten möchte. Wawrzyniaks kaum überraschende Antwort: „Klar hab ich Bock.“
Halles Bester geht nun mit einem festen Ziel in das Spiel gegen Rob Cross. „Ich will mindestens ein Leg gewinnen“, verrät er. Die Gelegenheit scheint günstig. Cross ist in diesem Jahr bei der WM bereits in der zweiten Runde ohne Satzgewinn rausgeflogen. (mz)
Die Spieler vom Roten Stern trainieren jeweils Mittwoch und Donnerstag ab 19 Uhr im „Unikum“.
