1. MZ.de
  2. >
  3. Lokal
  4. >
  5. Nachrichten Halle
  6. >
  7. Coca Cola in Halle-Neustadt: Coca Cola in Halle-Neustadt: Vom VEB zum Weltkonzern

Coca Cola in Halle-Neustadt Coca Cola in Halle-Neustadt: Vom VEB zum Weltkonzern

Von Oliver Müller-Lorey 07.04.2019, 16:00
Uwe Blabusch ist Betriebsleiter im Coca-Cola-Werk in Neustadt. Er weiß alles über die Entwicklung vom Volkseigenen Betrieb bis heute.
Uwe Blabusch ist Betriebsleiter im Coca-Cola-Werk in Neustadt. Er weiß alles über die Entwicklung vom Volkseigenen Betrieb bis heute. Silvio Kison

Halle (Saale) - Als ein gewisses Unternehmen namens „Coca-Cola“ vor 90 Jahren am 8. April 1929 seine erste Flasche in Deutschland abfüllte, war der Erfolg des heutigen Weltkonzerns noch nicht absehbar. Im ersten Jahr lag der Tagesrekord bei 24 verkauften Flaschen. So viele, wie heutzutage in einer Kantine stündlich über den Tresen gehen.

Zehn Jahre später produzierte das Unternehmen schon 4,5 Millionen Kisten und im Kalten Krieg wurde das koffeinhaltige Getränk sogar zum Politikum: In der Bundesrepublik war es überall zu haben, für DDR-Bürger fast unerreichbar. Kein Wunder, dass die Freude riesig war, als Coca-Cola nach dem Mauerfall verkündete, das Getränkewerk in Halle-Neustadt zu übernehmen.

Coca Cola in Halle-Neustadt: Ehemals Brauerei-Betrieb

Uwe Blabusch, Betriebsleiter in der Fabrik, erinnert sich noch genau daran, denn er hat den Umbruch an der Schieferstraße selbst miterlebt. Das Werk in Neustadt war zu DDR-Zeiten Betriebsteil Nummer 5 der VEB-Meisterbräu-Brauerei, die wiederum zum Getränkekombinat Dessau gehörte. „Hier wurden Limonaden wie Azuro oder Karena abgefüllt. Und zu heißen Zeiten sogar Bier“, erinnert sich Blabusch. Nur gebraut habe man in Neustadt nie.

Die Maschinen seien mit dem heutigen Stand natürlich nicht vergleichbar, aber die Abfüll- und Spülvorgänge seien bereits damals technisiert gewesen. Und die Qualität der Getränke? „Mir hat die Azuro besser geschmeckt als die Karena, aber man konnte beides gut trinken“, sagt Blabusch. „Natürlich war eine Coca-Cola noch einmal etwas ganz anderes. Als wir einmal in Polen, wo es Coke gab, auf Klassenfahrt waren, war für jeden klar: Wir kaufen uns eine Flasche“, erzählt Jens Ebicht, der seit Jahrzehnten als Instandhaltungsleiter im Neustädter Werk arbeitet.

Coca Cola in Halle-Neustadt: Ab 1990 mussten die Hallenser nicht mehr ins Ausland fahren

Ab 1990 mussten die Hallenser nicht mehr ins Ausland fahren oder den Intershop besuchen, um an Coca-Cola zu kommen. Ebicht hatte damals eigentlich nur einen Nebenjob im Werk, um sich in der Zeit zwischen Wehrdienst und Studium etwas dazuzuverdienen - nur eine Zwischenstation. Doch dann gab es eine faustdicke Überraschung.

Die Treuhand, die die Fabrik übernommen hatte, verkaufte sie an den US-Konzern aus Atlanta. „Als Mitte 1990 die Mitteilung die Runde machte, das Coca-Cola kommt, war das ein Grund zu bleiben, auch für meine Kollegen“, sagt Ebicht. Er hatte Glück, denn Betriebsteil 5 des Volkseigenen Betriebs ist der einzige, der überlebte.

Coca Cola in Halle-Neustadt: Viele Aufs und Abs

In den Nachwendejahren füllte das Unternehmen neben Cola auch Fanta und Sprite ab - die Klassiker. Auch den Trend zu Light-Produkten machte man in Neustadt mit, verabschiedete sich aber im Jahr 2002 von den Glasflaschen, die fortan in anderen Betrieben befüllt wurden. Stattdessen konzentrierte sich das Werk auf die Abfüllung kohlesäurefreier Getränke und baute eine Produktionslinie im Wert von 70 Millionen Euro auf. Die Zukunft sah rosig aus, bis das Werk im Jahr 2003 urplötzlich in Gefahr geriet.

Grund war die Einführung des Einwegpfands. „Im Handel herrschte eine große Unsicherheit, weil er keine Lösung für die Rücknahme hatte. Der Absatz bei Getränkeherstellern ist damals dramatisch eingebrochen“, erinnert sich Blabusch. Im Neustädter Werk war die Angst vor einem Umsatzverlust sogar so groß, dass hastig eine Produktionslinie für pfandfreie Tetra-Packs gebaut wurde, die jedoch nicht zum Einsatz kam, weil sich das Pfandsystem doch etablierte.

Coca Cola in Halle-Neustadt: Eistee ist Verkaufsschlager

Der nächste und bis dahin größte Tiefpunkt wartete im Jahr 2017 auf die Getränkefabrik. Die Firma Nestlé, die jahrelang über eine Kooperation ihren Eistee bei Coca-Cola abgefüllt hatte, kündigte den Vertrag. „Das Problem war, dass ihr Produkt den Löwenanteil an der Produktion hatte“, sagt Blabusch. Wieder sei die Verunsicherung im Neustädter Werk groß gewesen, doch die Mitarbeiter hätten mit beeindruckender Kraft weitergearbeitet.

Und das hat sich bezahlt gemacht: Der Konzern bestimmte, dass der eigene Eistee, „Fuze Tea“ genannt, in Halle produziert werden sollte. Bis dahin war er eher außerhalb Deutschlands bekannt, doch Coca-Cola startete Kampagnen, um das Getränk auch hier zu vermarkten und hatte damit Erfolg. „Seit 2018 laufen die Maschinen rund um die Uhr. Und 2019 nehmen wir noch eine Produktionslinie in Betrieb“, sagt Blabusch.

Er sei froh, dass sich die Fabrik nach großen Aufs und Abs aktuell so gut entwickle. Innerhalb des Konzerns sei sie als einzige Fuze-Tea Produktion Deutschlands nicht unwichtig. Und verglichen mit dem täglichen Verkaufsrekord von 24 Flaschen im Jahr 1929 sowieso ein Schwergewicht. In Halle werden jährlich 150 Millionen Flaschen abgefüllt - das sind mehr als 400.000 jeden Tag. (mz)