Hallesche Tradition seit 37 Jahren Chor klettert für Frühlingssingen hoch über die Saale
An der Eichendorff-Bank begrüßt der Lehrerchor mit Volksliedern den Frühling. Dabei spielt Halles heimliche Hymne eine wichtige Rolle.
Halle (Saale)/MZ - Der Wind faucht und macht die Saale zu einem wilden Fluss. Doch die dicken schwarzen Wolken, aus denen Samstagmittag noch heftiger Regen fiel, reißen auf. „So ist es fast immer gewesen. Wir haben die Sonne herbeigesungen“, sagt Heike Wolf vergnügt. Zum 37. Mal lädt der Lehrerchor Halle zum Frühlingssingen an der Eichendorff-Bank auf den Klausbergen ein. Man habe schon alles erlebt, erzählen die zumeist älteren Sänger und Sängerinnen. Frost, Schnee, Vorfrühling. Doch abschrecken lassen sich die Bewahrer des deutschen Kulturliedguts nicht.
Beim Fußmarsch von der Giebichensteinbrücke – die Burgruine oben auf dem Felsen wird noch eine wichtige Rolle spielen – bleibt Zeit für einen Plausch. Es waren ehemalige Chorleiter, die beim Spazierengehen auf die verwitterte und verwahrloste Bank stießen, die an den Dichter Joseph Freiherr von Eichendorff erinnern, der von 1788 bis 1857 lebte und aus dessen Feder die heimliche Halle-Hymne stammt: „Da steht eine Burg überm Tale“. „Damals wusste keiner, dass es sich um einen Gendekort für Eichendorff handelt“, erzählt Heike Wolf. Der Förderverein des Kinderchors habe letztlich das Geld für die Restauration der halbrunden Sitzgelegenheit aus Sandstein aufgebracht. „Und die Stadt schnitt das Gestrüpp ab, damit man von oben wieder einen Blick auf die Burg hat.“
Etwa 50 Hallenser klettern Samstagnachmittag die Klausberge hinauf und werden für die Plagerei wie immer mit einem traumhaften Ausblick belohnt. Die Sonne taucht die Saale in ein gleißend-goldenes, glitzerndes Licht, als Lieder wie „Winter ade! Scheiden tut weh!“ oder „Wenn alle Brünnlein fließen“ angestimmt werden. Ein anderes Lied darf nicht fehlen, mit dem auch Heino aufgetreten ist, kommt aber erst zum Schluss: „An der Saale hellem Strande“. Das spiele aber in Bad Kösen und nicht in Halle, meint eine ältere Dame. Genau genommen wurde es 1826 auf der Rudelsburg am Saaleck von Franz Kugler verfasst, also nahezu in jener Zeit wie einst Eichendorff.
„Ich finde das gemeinsame Singen wichtig. Diese Tradition ist ein Stück verloren gegangen. Wir wollen dafür sorgen, dass auch die alten Lieder nicht vergessen werden“, sagt Chorleiter Lars Merkle, angehender Kirchenmusiker. Es ist durchaus erstaunlich, dass sich Eichendorff mit seinem Burg-Versen in Halle unsterblich machte. Er studierte 1805/06 nämlich zwar drei Semester Jura in der Stadt, soll Klausberge und Reichardts Garten, Giebichensteins „Dichterparadies“, aber gar nicht oft besucht haben. So lesen es Historiker aus seinem Tagebuch heraus. Aber irgendwie muss es Halle mit seiner imposanten Burg ihm ja angetan haben.
Der Lehrerchor der Stadt Halle sucht Mitglieder. Geprobt wird jeweils dienstags ab 19.30 Uhr in der Begegnungsstätte der Volkssolidarität im Böllberger Weg.