Stadtteil Charlottenviertel Charlottenviertel in Halle (Saale): Kommt für das verödete Viertel nund er Aufschwung?

Halle (Saale) - „Wenn ich mir die Rezensionen von unseren Gästen im Internet angucke, schätzen die meiste die Innenstadtnähe“, sagt Bertram Thieme, Direktor des Hotels Dorint Charlottenhof. „Ich nehme das ein bisschen anders wahr, denn eigentlich ist das Charlottenviertel immer schon irgendwie abseits der Laufwege“, sagt der 68-Jährige.
Halle hat mehr als 60 Stadtteile, Viertel und Stadtquartiere. Wir stellen alle
vor: hier das Charlottenviertel.
„Früher wurden die Leute ja in einer Fußgängerunterführung vom Bahnhof geradewegs auf die Obere Leipziger Straße geleitet“, erinnert er sich. Da sei keiner abgebogen. Obwohl das Viertel nur einen Steinwurf von Halles Herzen entfernt ist, steht es im ausgefransten Altstadtrand. „Hier kommt keiner mal so eben zufällig durch, die Leute kommen her, wenn sie gezielt in ein Geschäft oder ein Restaurant gehen.“ Thieme selbst ist hier stecken geblieben, als er 20 Jahre lang als Direktor des Interhotels gearbeitet hat. Seitdem leitet er das Hotel Dorint Charlottenhof direkt am Charlottencenter, ein paar Gehminuten weiter.
Abriss im Charlottenviertel: „Von Jetzt auf Gleich mussten die Hochhaus-Bewohner wegziehen.“
„1981 bis 1996 habe ich hier in einem Hochhaus gewohnt“, erzählt er. „Da gab es in jeder Wohnung zwei verstellbare Wände. Wenn man eingezogen ist, konnte man entweder das Wohnzimmer vergrößern oder das Kinderzimmer breiter ziehen“. Um das zu tun, mussten nur die Spannschrauben der Wände gelöst werden, so Thieme. „Das waren für DDR-Verhältnisse super Wohnungen.“ Die sind mittlerweile weg, die Hochhäuser an Halles Eingangstor längst abgerissen.
„Das hatte anfangs sehr fatale Folgen. Von Jetzt auf Gleich mussten die Hochhaus-Bewohner wegziehen. Und hier fehlten sie dann“, sagt Thieme heute.
Fehlplanung kurz nach der Wende: Viele Läden im Charlottenviertel sind eingegangen
Fast genauso schicksalhaft sei die Gewerbeplanung kurz nach der Wende gewesen. „Die erste westliche Fehlplanung“, lacht der 68-Jährige. Ein paar weniger Geschäfte hätten es Anfang der 90er Jahre schon sein können, findet Thieme. Dann wären vielleicht nicht so viele Läden im Charlottenviertel eingegangen. Wer viel Einzelhandel plant, sollte eben nicht gleichzeitig Genehmigungen für Konsumtempel auf der grünen Wiese erteilen.
Jetzt krankt das sonst so geschäftige Charlottenviertel, in dem zahlreiche Bürogebäude unter anderem an Großkonzerne voll vermietet sind, an dem hinkenden Handel. „Nur gut, dass sich im Charlottencenter jetzt etliche Anbieter gefunden haben, die nicht auf Laufkundschaft angewiesen sind, wie Kieser oder das Kino.“ Aktuell herrsche zumindest Stabilität. „Das haben sie noch ganz gut hingekriegt.“
Neues Hotel und Kongresszentrum: Bringt der Investorenansturm neuen Wind ins Charlottenviertel?
Der derzeitige Investorenansturm auf das Viertel könnte außerdem neuen Wind bringen. Am Riebeckplatz entsteht ein neues Hotel und Kongresszentrum - Thieme freut die Konkurrenz nicht unbedingt, aber wer will ihm das verdenken - , die Stadt plant ein Fahrradparkhaus und ein Investor aus Leipzig hat sich in diesem Jahr für mehr als eine Millionen Euro mehrere brache Grundstücke gekauft.
Auch weil die Stadt nach Kräften versucht, das Areal wiederzubeleben, steigt das Interesse verschiedener Geldgeber. Dem Charlottenviertel steht ein zweiter Frühling bevor, für den sich Bertram Thieme erhofft, dass dann auch mehr Menschen das Viertel und insbesondere den Stadtgottesacker entdecken, seinem zweiten Lieblingsplatz neben dem Hotel natürlich.
Hohe Mieten im Charlottenviertel schrecken so manche ab
Auf der zweiten Seite der Medaille stehen hohe Mietpreise mit Verdrängungswirkung. Das ist die normale Folge des Aufschwungs, der im Moment bereits voran geht. Auch deshalb wohnen viele der Menschen, die Tag für Tag zum Arbeiten in die Büros und Geschäfte im Charlottenviertel kommen, nicht dort. So wie Silvia Basnet.
Sie betreibt mit ihrem Mann Top Bahadur aus Nepal in der Augustastraße das indische Restaurant „Shiva“. „Wir sind jetzt seit dreieinhalb Jahren hier in der Straße“, sagt die Chefin. In ihr Restaurant kämen jede Menge Stammgäste, „und auch etliche die hier in den Bürogebäuden arbeiten“, so Basnet.
In die Nähe des lauschigen Restaurants zu ziehen, ist für ihre Familie bislang keine Option gewesen, „die Mieten sind hier einfach sehr hoch, 850 Euro für drei Zimmer muss man sich erstmal leisten“. Im Stadtviertel der Arbeitsbienen treffe man daher auch eher Leute, die etwas mehr Geld in der Tasche haben, „Studenten wohnen hier kaum“, sagt Basnet. (mz)