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Bundestagswahl-Kandidat Bundestagswahl-Kandidat: Der grüne Seelsorger

Von Jan-Ole Prasse 11.09.2013, 06:35
Sebastian Kranich hat als Bausoldat in Leuna beschlossen, für den Umweltschutz aktiv zu werden.
Sebastian Kranich hat als Bausoldat in Leuna beschlossen, für den Umweltschutz aktiv zu werden. Günter Bauer Lizenz

Halle/MZ - Jeder Besucher in der halleschen Musikkneipe Mojo bekommt von Sebastian Kranich einen Handschlag. Dazu fragt der Direktkandidat der Grünen im Wahlkreis 72 nach der Arbeit, nach der Familie oder auch mal nur nach dem Halleschen FC. Kranich ist hier Stammgast, aber das offensive, kümmernde Auftreten liegt auch an seiner Persönlichkeit und seiner Qualifikation: Der 44-jährige Theologe hat eine praktische Ausbildung zum Pfarrer absolviert. „Ich habe meine Seelsorgekurse absolviert“, sagt er.

Die kommen ihm jetzt im Wahlkampf zugute. Denn Kranich erlebt an vielen Infostände, dass Bundestagskandidaten in aller erster Linie eine Aufgabe haben: Den Wählern zuhören. „Ich habe Gespräche von mehr als einer halben Stunde geführt, da werden ganze Lebensgeschichten erzählt“, sagt der gebürtige Dresdener.

Dabei war es keineswegs zwangsläufig, dass Kranich seine Talente irgendwann einmal in einem Wahlkampf einsetzen wird. Nach seinem Vikariat 2005 in Leipzig bot ihm die evangelische Kirche eine Pfarrstelle im Erzgebirge an. „Das war der berühmte Scheideweg in meinem Leben, aber das hinterste Erzgebirge wollte ich meinen Kindern nicht antun“, sagt Kranich. Darum entschied er sich, als wissenschaftlicher Mitarbeiter der Theologischen Fakultät zurück nach Halle zu wechseln.

Doch bis heute hat das Religiöse in seinem Leben eine besondere Bedeutung. Kranich hält immer noch Predigten und Andachten, zumeist in der Johanneskirche. „Ich habe die Prägung von Kind an mitbekommen, schon mein Vater war Pfarrer“, sagt er. Doch das Politische spielte bei Kranichs Religiosität immer schon eine Rolle, gerade bei der evangelischen Kirche der DDR. „Meine Politisierung begann mit der Schwerter-zu-Pflugscharen-Bewegung“, sagt er.

Doch bei den Grünen eingetreten ist er erst im Jahr 2010. Den letzten Anstoß habe die von der schwarz-gelben Bundesregierung beschlossene Laufzeitverlängerung der Atomkraftwerke gegeben. Die Energiewende ist deswegen auch eines der wichtigsten Themen für ihn. „Wir müssen da endlich eine Linie reinbringen, die Ausnahmetatbestände für die Industrie bei der EEG-Umlage müssen eingeschränkt werden“, fordert er. Auch die schnelle Einführung eines gesetzlichen Mindestlohns von 8,50 Euro ist für ihn eines der drängendsten Projekte nach der Wahl.

Natürlich weiß er, dass er selbst dazu in Berlin aller Voraussicht nach nichts beitragen wird. Kranich hat nicht für einen Listenplatz bei den Grünen kandidiert. „Ich werde niemanden davon abhalten, mich zu wählen, aber entscheidend ist die Zweitstimme. Dafür halte ich meinen Kopf hin.“

Die ideale Konstellation nach der Wahl wäre für Kranich eine Koalition aus SPD und Grünen. Dafür wirbt er auch in Halle zusammen mit dem sozialdemokratischen Kandidaten Karamba Diaby. Die beiden haben eine gemeinsame Werbebroschüre entworfen. Und wenn es doch nicht dazu reicht? Kranich schließt eine Koalition mit der CDU kategorisch aus: „Auf Bundesebene kommt das nicht in Frage.“