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Soforthilfe nach Brandnacht Brandnacht in Halle (Saale): "Die Not der Künstler ist dramatisch"

Von Katja Pausch 12.01.2018, 10:01
Josefine Cyranka (l.) und Annette Funke stehen vor ihren zerstörten Bildern.
Josefine Cyranka (l.) und Annette Funke stehen vor ihren zerstörten Bildern. Holger John

Halle (Saale) - Auch rund zwei Wochen nach der schrecklichen Brandnacht in Halle steht den Betroffenen das Entsetzen ins Gesicht geschrieben. Denn das Feuer hat ihnen fast die gesamte Existenz geraubt - und dazu noch die Arbeitsgrundlage für ihr weiteres Schaffen.

Die Opfer der drei Brände, die in jener Nacht fast zeitgleich in der Fritz-Hoffmann-Straße, in der Berliner Straße und mit der dabei völlig zerstörten Schauburg dann auch noch in der Großen Steinstraße wüteten, sind allesamt hallesche Künstlerinnen und Künstler, die im Osten der Stadt Werkstätten, Atelierräume oder Lager hatten - im schlimmsten Fall aber auch alles zusammen. So wie Annette Funke.

Verheerende Brandnacht in Halle (Saale) zerstörte auch die Existenzgrundlage von Annette Funke

Die 42-Jährige, Absolventin der Kunsthochschule Burg Giebichenstein und freischaffende Künstlerin, hatte 2012 eine auch für andere Künstler offene Siebdruckwerkstatt gegründet und diese in ehemaligen Werkstatträumen in einem Gebäude in der Fritz-Hoffmann-Straße mühsam aufgebaut. „So ziemlich alles hier drin habe ich selbst gemacht, auch, um Miet- und andere Kosten zu sparen“, so Annette Funke, die vorwiegend mit Papier arbeitet.

Möbel, Regale, Schreibtisch und vieles andere im Obergeschoss habe sie aus allen Ecken zusammengetragen, Flohmärkte und Haushaltsauflösungen dafür abgegrast, vieles selbstgebaut. Auf dem Boden liegt noch ein handgeschriebener Zettel: „Bitte hier nicht rauchen“ - absurd angesichts der Situation.

Verheerende Brandnacht in Halle (Saale): Alles ist zerstört, nichts ist mehr zu gebrauchen

Ihre abgebrannte Werkstatt, die sie mit Künstlerkollegin Josefine Cyranka für gemeinsame Projekte wie für das Kinder-Kunst-Forum teilt, kann sie nicht betreten, ohne fast in Tränen auszubrechen: Alles ist zerstört, nichts ist mehr zu gebrauchen. Allein die Rahmen, die an der Wand lehnen und in denen sich noch kunstvolle Arbeiten - alles Unikate - befinden, kosten mehrere Hundert Euro.

Von den Ideen, die darin stecken und die nicht mit Geld zu bezahlen sind, ganz zu schweigen. Die Druckmaschinen im Erdgeschoss - voller Ruß, unbenutzbar. „Ich habe bis einen Tag vor Heiligabend gearbeitet, um meinen letzten Auftrag für 2017 auszuliefern“, sagt die Künstlerin mit schmerzendem Blick zurück, unter anderem hatte sie einen Paravent für Pastorin Sabine Kramer in Arbeit. 

Das Schlimmste für die Künstlerin nach der Brandnacht in Halle (Saale): „Die Ideen sind mitverbrannt“

Das Schlimmste: „Die Ideen sind mitverbrannt“, so die gebürtige Thüringerin, der es schwer fällt, nach vorn zu blicken. „In dieser Form werde ich das nicht noch einmal schaffen“, sagt sie resigniert. „Zum Glück habe ich einen Entwurf retten können, da ich noch schnell ein paar Weihnachtsgeschenke gedruckt habe“, so Annette Funke. Die Beschenkten haben somit Funkes Ideen-Entwürfe quasi konserviert - immerhin.

Brand in der Berliner Straße in Halle (Saale) trifft auch die künstlerische Arbeit mit sozial benachteiligten Kindern

Auch Josefine Cyranka hat es schwer getroffen. Die bekannte Textil- und Papierkünstlerin arbeitet in verschiedenen Werkstätten in der Stadt, seit zweieinhalb Jahren mit Annette Funke am Standort Fritz-Hoffmann-Straße - auch, weil dort Kurse im Rahmen des Kinder-Kunst-Forums abgehalten wurden. „Der Brand trifft also auch unsere künstlerische Arbeit mit sozial benachteiligten Kindern“, so Josefine Cyranka.

„Das Quartier hier im Osten hatte sich auch dank preiswerter Mieten für Künstler gut entwickelt“, sagt sie wehmütig: Nebenan gab es mehr und mehr verschiedene Gewerke, man half sich aus - der Standort hätte eine kleine Künstlerkolonie am Rande der Stadt werden können, ähnlich, wie sie Städte wie London oder Berlin längst haben.

Für Kunstschaffende wie die beiden Frauen ist die Vernichtung ihrer Werkstätten, der Entzug ihrer Arbeitsgrundlage eine Katastrophe. „Wir alle haben laufende Projekte, Verträge und Auftragsarbeiten, die fristgerecht erfüllt werden müssen“, so Josefine Cyranka, die wie die anderen drei betroffenen Künstler Annette Funke, Jenny Rempel und Michael Krenz Stipendiaten der Kunststiftung Sachsen-Anhalt ist.

So soll Halles Künstlern nach der Brandnacht finanziell geholfen werden

Für eine erste Linderung hat nun die Landesregierung spontan und unbürokratisch Hilfe beschlossen. Sachsen-Anhalts Kulturminister Rainer Robra hat den Künstlern eine Soforthilfe in Höhe von 20.000 Euro zugesagt. Das Geld wird über Arbeitsstipendien der Kunststiftung des Landes Sachsen-Anhalt ausgereicht.

Stiftungsdirektorin Manon Bursian ist dafür sehr dankbar. „Die Not dieser Künstler ist dramatisch“, sagt sie. Nun aber gebe es für die betroffenen Künstler wieder Hoffnung. Die Unterstützung habe einen Optimismus erzeugt, der die Künstler nach vorn schauen lasse, um neue Werke zu schaffen. Bursian: „Dafür vielen Dank.“ (mz)

Ein von Feuer, Ruß und Löschwasser zerstörter Raum der Künstlerinnen. 
Ein von Feuer, Ruß und Löschwasser zerstörter Raum der Künstlerinnen. 
Holger John
Trauriges Symbol: Eine Puppe liegt nach dem Brand in Halles Osten in einer Kiste. Doch es gibt Hoffnung für die betroffenen Künstler: Geld vom Land.
Trauriges Symbol: Eine Puppe liegt nach dem Brand in Halles Osten in einer Kiste. Doch es gibt Hoffnung für die betroffenen Künstler: Geld vom Land.
Holger John