Boxen Boxen: Der Hallenser Kretschmann wechselt zum SES-Boxstall nach Magdeburg

Magdeburg/MZ - Die Ärmel seiner Trainingsjacke sind ein wenig zu kurz geraten. Mehr instinktiv zupft Steffen Kretschmann an der elastischen Arbeitskleidung, die Einheitlichkeit demonstriert mit all den anderen Boxern in der Magdeburger Trainingshalle. Sie zeigt: Der Hallenser ist jetzt ein SES-Fighter. „Ist nur geborgt, die Jacke“, sagt der 1,96 Meter große Hüne und lächelt verlegen. Einer aus dem Betreuerstab hat ihm seine gegeben. Denn im Anschluss an das Pressegespräch soll noch ein Gruppenbild geschossen werden von denjenigen, die in den nächsten Tagen für den Profiboxstall in den Ring klettern.
Kretschmann ist einer von ihnen. Ein Debütant. Mit 33 Jahren zweifellos ungewöhnlich. Und erst recht ungewöhnlich, wenn man hört, dass dieser Einstand eigentlich schon vor sieben Jahren hätte sein sollen. „Ich bin froh, dass mir Ulf Steinforth diese Chance gibt“, sagt der Schwergewichtler. Und jeder, der die Vorgeschichte kennt, weiß, das ist nicht nur so dahingesagt.
Promoter Steinforth glaubt an Kretschmann
Nur ein paar Meter weiter steht sein neuer Arbeitgeber. Auch Ulf Steinforth trägt den SES-Trainingsanzug. Der Promoter scherzt mit seinen Stars wie Champion Robert Stieglitz oder Klitschko-Herausforderer Francesco Pianeta. Er spricht seinem verletzten „jungen Wilden“ Moritz Stahl alias Islam Sulimanow Mut zu und schickt schließlich seinem jüngsten gar nicht so neuen Neuzugang ein aufmunterndes Kopfnicken herüber. Was er dann sagt, verblüfft schon, denn Steinforth hegte - ohne Kretschmanns Worte vernommen zu haben - ähnliche Gedanken und sagte: „Ich glaube, dass Steffen diese Chance verdient hat. Er kann noch viel mehr aus sich herausholen.“
Das Vergangene - abgehakt. Dabei hatte Steinforth 2006 dem zweifachen WM-Dritten der Amateure schon einmal einen unterschriftsreifen Vertrag vorgelegt. Beide waren sich auch damals im Prinzip einig, bevor Kretschmann über Nacht doch beim Hamburger Promoter Ahmet Öner anheuerte. Das ging in die Hose. Bei dem Versuch, Kretschmann zum Medienstar aufzubauen, zeigte der stille Hallenser Nerven und verlor. Es folgte ein jahrelanger Rechtsstreit um ausstehende Gagen.
Trainiert hatte Kretschmann dennoch immer weiter - mit seinem langjährigen Coach Hans-Jürgen Witte. Ein Duell mit Timo Hoffmann rückte ihn nochmals in den Blickpunkt der boxinteressierten Öffentlichkeit. Der Schlagabtausch unter freiem Himmel musste damals wegen einsetzenden Regens ohne Ergebnis abgebrochen werden. Die von Hoffmann versprochene Fortsetzung blieb aus. Ja, nein, dann wieder ja und doch wieder nein - „ich habe mittlerweile aufgegeben, auf Timos Angebot zu vertrauen“, sagt Kretschmann.
Als SES-Cheftrainer Dirk Dzemski ihn vor zwei Monaten ansprach, wurden sich alle schließlich schnell einig. Denn mit 33 hat man nicht mehr alle Zeit der Welt. „Boxen muss er nicht mehr lernen“, sagt Dzemski über seinen langjährigen Freund, der in seiner Nachbarschaft aufgewachsen war. „Steffen muss jetzt einfach Gas geben und im Kopf klar sein.“
Kampf um die deutsche Meisterschaft
Dass er bei seinem Kampf um die deutsche Meisterschaft am 25. Oktober in Frankfurt (Oder) gegen den Dresdner Robert Teuber nicht der Hauptkämpfer ist, kommt seinem Naturell entgegen. Alle Welt wird auf seine neuen Stallgefährten Francesco Pianeta schauen, der gegen Brian Minto boxt, und auf Robin Krasniqi. Der will sich den Olexandr Cherviak im Halbschwergewicht den EM-Gürtel sichern.
Dieser ist - natürlich im Schwergewicht - mittelfristig das Ziel von Kretschmann. „Ende 2104 sollte das möglich sein“, nennt er seine berufliche Marschroute.
Die für den Rest des Tages war in Stein gemeißelt. Schnell zurück nach Halle, wo Tochter Maya Kim darauf wartete, mit ihm die drei Kerzen auf ihrer Geburtstagstorte auszublasen.
