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Blumen nach erster Stunde

Von Heidi Pohle 25.08.2005, 13:50

Halle/MZ. - Drei Schüler kommen erst kurz nach Unterrichtsbeginn ins Klassenzimmer - zum Glück. Da gibt es erste Lacher, die wie befreit klingen und die Atmosphäre auflockern. Denn gespannt auf ihren neuen Ethik-Lehrer waren die 16- bis 18-Jährigen der Klasse 11 G 2 am Donnerstagmorgen sehr. Und auch für Mark Seidel ist seine allererste Stunde als "Studienrat z. A." - was "zur Anstellung" heißt, ehe in ein paar Jahren der "richtige" Studienrat folgt -, etwas Besonderes.

Erwartungsvolle Blicke sind auf ihn gerichtet. Was wird er machen? Stoff wiederholen, die Schüler abfragen? Nichts dergleichen. "Langweiligen Unterricht habe ich selbst nicht gemocht", sagt der 30-Jährige mit den silbernen Ohrringen. Also teilt er Zettel aus und bittet, kurz zu notieren, was die Schüler vom Ethik-Unterricht erwarten. Anschließend sollen sie nicht mit ihm, sondern erst mal untereinander ihre Thesen diskutieren. Dazu lässt er die Schüler "wandern", damit nicht nur Banknachbarn miteinander sprechen. Das fällt manchem schwer, weil die Klasse neu zusammengesetzt ist - aus drei zehnten Klassen wurden zwei elfte. Konzentriert und ernst geht er durch die Reihen. Spricht er jedoch mit einzelnen Schülern, huscht schon mal ein Lächeln über sein Gesicht.

Seit Anfang der Woche ist Mark Seidel in der KGS Humboldt, hat sich auf den Unterricht vorbereitet. Neben Ethik unterrichtet er Geographie, und zwar Schüler von der sechsten bis zur zwölften Klasse. Für die KGS Humboldt, mit 1 230 Schülern eine der größten der Stadt, habe er sich unter mehreren Stellenangeboten entschieden, erzählt Seidel, obwohl er Halle zuvor gar nicht kannte. Wo er herkommt, ist nicht zu überhören - aus Freiberg in Sachsen. Schulleiter Kurt Töttler freut sich über den männlichen Nachwuchs an seiner Schule gerade "in Zeiten, da viele Schüler vaterlos aufwachsen und rund zwei Drittel der Lehrer Frauen sind".

Gut die Hälfte der Stunde ist um, als Mark Seidel in der Klasse Arbeitsgruppen bilden lässt und große Papierbögen samt Filzstiften austeilt. Denn jetzt geht es nicht mehr um den Ethikunterricht an sich, sondern auch um die Erwartungen, die die Klasse an den Lehrer stellt. Den Schülern bleibt noch Zeit, die einzelnen Punkte vorn an der Tafel zu erläutern. Sie wünschen sich beispielsweise Gespräche zu aktueller Politik. Und, ganz wichtig: Der Lehrer solle nicht nur erklären, sondern offen sein für andere Meinungen. Dann ist die Stunde zu Ende - fast. Denn Ariane überreicht Mark Seidel noch einen Blumenstrauß, was ihn freut und ein wenig verlegen macht.

Selbstbewusst, überzeugend, symphatisch, eben okay - so fassen die Schüler in aller Kürze ihren ersten Eindruck vom "Neuen" zusammen, ehe sie zur Hofpause gehen. Auch Mark Seidel ist ganz zufrieden. Am Tage Unterricht und Vorbereitungen bis in die Nacht hinein, er weiß, worauf er sich eingelassen hat. Vorerst wird dem Junggesellen keine Zeit bleiben, um Schlagzeug oder Klavier zu spielen. Aber Halle samt Umgebung will er so schnell wie möglich kennen lernen.