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Monumentale Bildgewalt „Blumen küssen Nachtigallen“: Halles größte Open-Air-Ausstellung steht am Thüringer Bahnhof

Bei einer spektakulären Kunstaktion sind auf sieben Würfeln riesige Gemälde zu sehen. Was es damit auf sich hat und wie lange die Werke zu sehen sind.

Von Dirk Skrzypczak 25.05.2022, 17:06
Die Faszination von Kunst liegt im Augen des Betrachters. Am Thüringer Bahnhof prallen verschiedene Kunstrichtungen aufeinander.
Die Faszination von Kunst liegt im Augen des Betrachters. Am Thüringer Bahnhof prallen verschiedene Kunstrichtungen aufeinander. Foto: Thomas Ziegler

Halle (Saale)/MZ - Franzi und Zabi stehen am Thüringer Bahnhof vor dem monumentalen Kunstwerk „Fairytale“ von Bernadette Rottler. Auf dem ersten Blick ist der Kopf einer Frau zu sehen, eingebettet in Blumen. Liegt sie auf einer Wiese? Zabi (35) glaubt, viel mehr zu sehen. „Je länger ich das Gemälde betrachte, umso mehr Motive sehe ich“, meint er. Da sei doch ein Adler am linken Auge der Frau. Oder nicht? „Ich finde das hier cool“, sagt Franzi (20). Kunstaktionen wie diese müsste es viel mehr in Halle geben.

Ist im Gemälde „Fairytale“ ein Adler versteckt? Zabi glaubt ihn am Auge der liegenden Frau zu erkennen. Freundin Franzi schaut genau hin.
Ist im Gemälde „Fairytale“ ein Adler versteckt? Zabi glaubt ihn am Auge der liegenden Frau zu erkennen. Freundin Franzi schaut genau hin.
Foto: Dirk Skrzypczak

Tatsächlich ist die Open-Air-Ausstellung in Nachbarschaft der Kletterwand und des Skulpturenparks die derzeit größte Freiluftausstellung in der Stadt. Sieben große Würfel stehen auf der Wiese - 28 verschiedene Wände wurden von Künstlern aus Halle, Weißenfels, Berlin und Karlsruhe gestaltet. Sie alle eint das riesige Maß: 3,60 mal 2,60 Meter groß sind die Bilder, groß wie Werbeplakate. Vor 34 Jahren hatte die Malerin Angela Junk-Eichhorn in Karlsruhe das erste Mal eine Plakatwand vor ihrem Haus in Karlsruhe gestaltet. Statt Werbung wollte sie die Kunst in den öffentlichen Raum bringen. Daraus entstand der Verein „Kunst an der Plakatwand“. Und was liegt näher, als im 35. Jahr der Städtepartnerschaft zwischen Halle und Karlsruhe zum zweiten Mal nach 2010 die Plakat-Performance in die Händelstadt zu holen?

Projektleiter Udo Klenner ist mit dem Ergebnis zufrieden. 25 Künstler haben sich an der Aktion beteiligt. Das Motto „Blumen küssen Nachtigallen“, inspiriert von einem Vierzeiler Heinrich Heines, lässt den Protagonisten viel Raum zur Entfaltung. „Künstler mögen es nicht, wenn sie ihre Gedanken und Kreativität in ein Thema pressen müssen. Es sei denn, es brennt ihnen selbst auf der Seele. Die Plakataktion besticht vielmehr durch ihre Vielfalt. Das ist etwas ganz Besonderes“, sagt Klenner. Abstrakte Kunst trifft auf Figuren, Gemälde auf ein Relief aus Treibgut. Klenner lobt die Hallenser und meint damit die Menschen auf der Straße, Passanten, die neugierig stehengeblieben sind, „als wir aufgebaut haben“, und die sich „aufgeschlossen und freundlich“ für die Kunst interessiert hätten.

Das Kunstprojekt befindet sich in Nachbarschaft des Skulpturenparks.
Das Kunstprojekt befindet sich in Nachbarschaft des Skulpturenparks.
Foto: Dirk Skrzypczak

Partner der Ausstellung ist der Fachbereich Kultur der Stadt. Leiterin Jane Unger sieht den großen Vorteil darin, dass die Kunst zu den Menschen komme. „Mit der Ausstellung gibt es in der Stadt neben der Freiraumgalerie eine weitere Möglichkeit, Kunst im Vorübergehen zu erleben, ohne in ein Kunstmuseum zu gehen“, sagt sie. Wer sich Zeit nimmt und stehenbleibt, so wie Franzi und Zabi, wird von der Bildgewalt gefesselt. Da ist das infernale „Blutbad“ von Albrecht Fersch, das unweigerlich an den Krieg in der Ukraine erinnert. Oder der namenlose Beitrag der Hallenserin Louisa Piper. Zu sehen ist ein fetter Lkw, der sich durch eine Häuserschlucht quetscht - die Menschen in der Paracelsusstraße dürften sich hier durchaus wiedererkennen.

Die Kunst auf der Plakatwand ist noch bis zum 12. Juli zu sehen, danach zieht sie nach Weißenfels um. Das Beste an der Aktion: Sie ist rund um die Uhr und ohne Eintritt zu sehen.