1. MZ.de
  2. >
  3. Lokal
  4. >
  5. Nachrichten Halle
  6. >
  7. Biologe schlägt Alarm: Biologe schlägt Alarm: Besteht Lebensgefahr im Wald?

Biologe schlägt Alarm Biologe schlägt Alarm: Besteht Lebensgefahr im Wald?

Von Oliver Müller-Lorey 29.09.2019, 05:00
Wo ein Schild Spaziergänger vor Lebensgefahr warnt, sollten in zwei Wochen eigentlich Sportler den Petersberger Wald betreten. Daraus wird nichts. Der Veranstalter des Halbmarathons durch den Forst, Heinz Pohl, hat die Veranstaltung abgesagt.
Wo ein Schild Spaziergänger vor Lebensgefahr warnt, sollten in zwei Wochen eigentlich Sportler den Petersberger Wald betreten. Daraus wird nichts. Der Veranstalter des Halbmarathons durch den Forst, Heinz Pohl, hat die Veranstaltung abgesagt. Silvio Kison

Halle (Saale)/Kütten - Die Situation in den trockenen Wäldern rund um Halle spitzt sich zu - mit ersten konkreten Folgen. Ein Halbmarathon, der am 6. Oktober durch den Wald am Petersberg (Saalekreis) führen sollte, wurde abgesagt. Die Forstverwaltung hat Schilder an den Eingängen zum Wald aufgehängt, die Spaziergänger vor Lebensgefahr beim Betreten des Waldes warnen.

„Aufgrund der anhalten Trockenheit und einem hohen Schadaufkommen in unseren Wäldern sind bei vielen Bäumen Absterbe-Erscheinungen festzustellen. Es besteht Gefahr für Leib und Leben!“, heißt es. Man empfehle Besuchern daher „in ihrem eigenen Interesse“, vom Betreten des Waldes und dessen Wegen abzusehen.

„Keine Versicherung würde das Risiko übernehmen“

Für Heinz Pohl, den Veranstalter des „Petersberglaufs“, sei es nach dem Auftauchen der Schilder keine Frage gewesen, was zu tun ist. „Wir haben bei der Forstverwaltung angerufen und nachgefragt, ob die Warnung ernstzunehmen ist. Es hätte sich ja auch einer einen Scherz erlauben können. Als uns die Sache bestätigt wurde, haben wir entschieden, den Lauf abzusagen“, erzählt er.

Zwar sei es nicht verboten, den Lauf trotz der Gefahr stattfinden zu lassen, „aber keine Versicherung würde das Risiko übernehmen, wenn einem der Läufer oder der Helfer, die Getränke verteilen, ein Ast auf den Kopf knallt, müsste ich dafür haften“, sagt er.

Zwei Drittel der Laubbäume sind nicht mehr zu retten

Bereits im Juli hatte Holger Koth, zuständiger Leiter des Forstbetriebs Süd, gegenüber der MZ von großen Schäden am Petersberger Wald gesprochen. Zwei Drittel der Laubbäume seien nicht mehr zu retten. Bereits damals warnten er und ein Kollege vor herabfallenden Ästen, die sich wegen der Hitzespannung vom Baum lösen könnten.

Dass gerade der Petersberger Wald betroffen ist, wundert Helge Bruelheide, Professor für Geobotanik an der Uni Halle, nicht. Es handle sich um einen Porphyrboden, der nur wenig Wasser speichern könne, weil er schnell steinig werde. „Letztes Jahr hatten wir unglaublich wenig Niederschläge. Wenn es mehrere solcher Jahre gibt, nähern wir uns der Grenze zur Waldunfähigkeit“, sagt er.

„Es wird Gebiete geben, wo kein Wald mehr existieren wird“

So gingen Wissenschaftler davon aus, dass ein gesunder, flächendeckender Wald bei unter 400 Litern Regen pro Quadratmeter nicht mehr bestehen kann. Das sei bislang in Sachsen-Anhalt kein Problem gewesen. Zwischen 1951 und 1980 fielen Bruelheide zufolge 559 Liter pro Quadratmeter sowie zwischen 1981 und 2010 579 Liter pro Quadratmeter - also genug. „Im vergangenen Jahr gab es nur noch 353 Liter pro Quadratmeter“, sagt er.

Die Lage sei dramatisch, vor allem in Regionen mit schwierigem Boden. Dort werde der Wald zuerst absterben. „Es wird Gebiete geben, wo kein Wald mehr existieren wird“, sagt er. Natürlich könne es sich bei so trockenen Jahren wie 2018 und 2019 auch um zufällige Häufungen handeln. Dass die Temperatur weltweit wegen des Klimawandels ansteige, sei aber bewiesen. Das habe auch einen Einfluss auf die Trockenheit im Boden, sagt der Professor.

Möglichst viele verschiedene Baumarten pflanzen

Waldbesitzer könnten nur eines tun: Möglichst viele verschiedene Baumarten pflanzen. „Stirbt eine Art ab, gibt es immerhin keinen Totalverlust. Außerdem helfen sich die Bäume gegenseitig“, sagt Bruelheide. Eine Art „Super-Baum“, der gegen alle Widrigkeiten wie Hitze, Kälte und Schädlinge gleichgut geschützt sei, gebe es nicht.

Eine Anfrage der MZ, wie es um den Zustand der Dölauer Heide bestellt ist, ließ die Stadtverwaltung zunächst unbeantwortet. (mz)

Auch am halleschen Fuchsberg sterben die Bäume ab.
Auch am halleschen Fuchsberg sterben die Bäume ab.
Steffen Schellhorn