Betty Heimann Betty Heimann: Die erste Privatdozentin in Halle

Halle (Saale) - Betty Heimann war eine besondere Frau, und auch heute noch wäre ihr Lebensweg außergewöhnlich: Sie war die erste Frau, die 1923 an der halleschen Universität eine Lehrerlaubnis als Privatdozentin erhielt. Die Studenten waren von der Indologie-Professorin begeistert, die lebendig die indische Philosophie und Sprache lehrte. Aber: Als Jüdin wurde ihr die Professur 1933 entzogen, im englischen Exil schaffte es die alleinstehende Frau dennoch, ihre wissenschaftliche Karriere erfolgreich fortzusetzen.
Im Rahmen der jüdischen Kulturtage und der Frauenkulturtage können Interessierte mehr über die Wissenschaftlerin erfahren: In einem Vortrag erläutert Erik Neumann vom Stadtmuseum nicht nur, wie das Museum zu einer Plastik gekommen ist, die Betty Heimann zeigt. „Vielmehr wird in einem Rundgang von Objekt zu Objekt auch der jüdische Hintergrund erläutert“, verweist Neumann auf die Themenführung am Sonntag. Zudem wolle man mit den Zuhörern ins Gespräch kommen - Nachfragen sind willkommen.
Uni Halle lässt 1923 ihre Habilitation als Indologin zu
„Betty Heimann ist das vierte Kind einer wohlhabenden jüdischen Bankiersfamilie in Hamburg“, hat Erik Neumann die Biografie recherchiert. Die 1888 Geborene studierte in Kiel und Heidelberg und promovierte mit 33 Jahren im Jahr 1921. Die Uni Halle lässt 1923 ihre Habilitation als Indologin zu. Hier in Halle lernt sie Grete Budde und deren Ehemann kennen, sie wohnt mit ihnen in einem Haus am Martinsberg. Grete Budde, die für die Universität 16 Gelehrtenplastiken schuf, fertigte auch eine Büste von Betty Heimann an. „Auch Grete Budde hatte einen jüdischen Hintergrund“, so Erik Neumann.
Das Naziregime entzog ihr die Lehrbefugnis 1933, als Betty Heimann auf einer Vortragsreise in England war. „Sie entschließt sich daraufhin, auf der Insel zu bleiben und arbeitet als Dozentin für indische Philosophie an der Universität London und vor ihrem Ruhestand 1949 für vier Jahre als Professorin für Sanskrit in Colombo (Ceylon)“, berichtet Neumann weiter aus dem Leben der Ausnahme-Wissenschaftlerin. Auch an der renommierten Oxford-Universität hielt sie Vorlesungen und wurde in London als hauptberufliche Dozentin für Sanskrit ernannt. 1939 nimmt sie die britische Staatsbürgerschaft an.
„Jedoch ist Betty Heimann nie wieder nach Halle zurückgekehrt“
Was die Uni Halle an Betty Heimann verloren hat, wird viel zu spät deutlich: 1957 erklärt die Hochschule Betty Heimann rückwirkend zur ordentlichen Professorin und berechtigt sie damit für den Bezug einer Rente. „Jedoch ist Betty Heimann nie wieder nach Halle zurückgekehrt“, weiß der Experte.
Aufgrund des Sabbats findet in diesem Jahr die Gedenkveranstaltung anlässlich der Pogromnacht am 9. November 1938 bereits am Vortag, Freitag, 8. November, um 11 Uhr am Jerusalemer Platz statt.
„Am 9. Oktober dieses Jahres mussten wir erleben: Das braune Gedankengut ist nicht verschwunden“, heißt es in einer Einladung zu der Gedenkveranstaltung, die Oberbürgermeister Bernd Wiegand (parteilos) und Propst Reinhard Hentschel sowie Superintendent Hans-Jürgen Kant für die Arbeitsgemeinschaft christlicher Kirchen verschickt hat. Alljährlich werde der Gewaltexzesse des 9. November 1938 gedacht, bei denen mehr als 1.400 Synagogen zerstört und Tausende Geschäfte und Wohnungen von Juden geplündert wurden. Aufgrund der Ereignisse vom 9. Oktober wünschen sich die Organisatoren um so mehr, dass in diesem Jahr die „tiefe Verbundenheit mit der jüdischen Gemeinde“ demonstriert wird.
Für Museumschefin Jane Unger ist Betty Heimann nur ein Bespiel von vielen Frauen-Biografien, die leider nicht sehr bekannt sind. Bewusst legte sie in der Porträtgalerie des Stadtmuseums Wert darauf, dass hier eine Ausgewogenheit zwischen Männern und Frauen herrscht. Sowohl in der Porträtgalerie als auch in den anderen Teilen des Stadtmuseums soll die Stadtgesellschaft widergespiegelt werden: „Und genau deswegen separieren wir auch die Geschichte der Juden in Halle nicht, sondern zeigen , wie sie Teil der Stadtgesellschaft geworden sind“, so Jane Unger.
Betty Heimann hat als Frau die Wissenschaft in Halle bereichert
Lediglich in einem kleinen Teil wird das Kommen und Gehen der Juden in Halle dargestellt - auch Max Privorozki, Vorsitzender der jüdischen Gemeinde, hat einige private Unterlagen für die Ausstellung zur Verfügung gestellt. So wie Betty Heimann, die als Frau die Wissenschaft in Halle bereichert hat, haben für Jane Unger auch die jüdischen Kaufhäuser, die Künstler, die Akademiker und viele andere positiven Einfluss auf das Leben in der Stadt Halle gehabt.
Um die Bedeutung der Juden in Halle herauszuarbeiten, sei das Stadtmuseum auch fast von Anfang an Partner der jüdischen Kulturtage, so Jane Unger. Auf den Anschlag vom 9. Oktober, bei dem ein rechtsradikaler Attentäter zwei Menschen getötet hat, will das Museum in einem Multimediaguide eingehen, der in den nächsten Jahren erstellt werden soll.
››Themenführung mit Gespräch im Stadtmuseum, Große Märkerstraße 10, am Sonntag, 10. November, 15 Uhr. Eintritt: 4 Euro. Veranstaltung im Rahmen der jüdischen Kulturtage und der Halleschen Frauenkulturtage. (mz)