Attraktion in Halle Bergzoo Halle (Saale): Künstler verwandelt Zoo in "Magische Lichterwelten"

Halle (Saale) - Eigentlich will der Sandlieferant für heute Schluss machen. „Das war erst einmal die letzte Ladung“, sagt er und reibt seine Hände aneinander. Es ist kalt und der Feierabend lockt. Doch Sand ist gerade im Bergzoo von Halle so gefragt wie auf einem Kinderspielplatz - zumindest bei den chinesischen Handwerkern.
Die Arbeiter in ihren blauen Overalls und mit den roten Helmen auf dem Kopf schultern einen Sandsack nach dem anderen: einer links, einer rechts und ab in den Tierpark. Dort beschweren sie mit den gefüllten Beuteln die Füße, auf denen ihre magischen Tier- und Pflanzenfiguren stehen - eine notwendige Maßnahmen, denn der Wind der vergangenen Tage hat bereits so manchen Drachen, Pinguin oder Gorilla umgeweht.
Deswegen löst der Nachschubstopp beim Sand auch Empörung bei den Chinesen aus. Einer von ihn kneift die Augenbrauen zusammen, breitet die Arme fragend aus und schimpft auf Mandarin - der chinesischen Hauptsprache.
Das freilich versteht der Sandlieferant nicht, doch in diesem Moment tritt auch schon Xi Chen an die beiden heran. Die zierliche Frau, weißer Mantel, rote Wollmütze, lächelt freundlich. Ein paar Worte Mandarin, ein paar Worte Deutsch - schon ist das Problem gelöst. „Eine Ladung Sand bringe ich dann halt noch“, sagt der Lieferant.
15 Meter langer Wal bei „Magischen Lichterwelten“ im Bergzoo Halle
Interkulturelle Vermittlung - das gehört zu den wichtigsten Aufgaben von Xi Chen. Die Chinesin ist die Managerin der Künstler- und Handwerkergruppe, die gerade in Halles Bergzoo den frühen Höhepunkt des Jahres vorbereitet: die „Magischen Lichterwelten“. Anfang 2018 lockte die erste Ausgabe des Lichtfeuerwerks fast 100.000 Besucher an.
In diesem Jahr soll mit 70 Figurengruppen und 12.000 LED-Lampen dieser Erfolg wiederholt werden. So wird sich ein 15 Meter langer Wal im Pelikangehege räkeln, Pinguine zwischen Wasserfontänen tanzen und schneeweiße Elefanten mit ihren Ohren wackeln. Hinzu kommen täglich zwei bis drei Shows mit chinesischer Kampf- und Kleinkunst. Ein Besuchermagnet, so viel ist jetzt schon klar.
Dafür, dass pünktlich zum Start der Freiluft-Ausstellung am 26. Januar alles fertig wird, ist Xi Chen mitverantwortlich. In ihrer Hand hält die Managerin eine blaue Mappe, in der Fotos von jeder Figurengruppen zu sehen sind. „Das sind unsere Vorlagen, nach denen wir alles aufbauen“, erklärt sie. Dann holt sie noch einen Zettel aus der Manteltasche - den Ablaufplan. „Wir haben genau festgelegt, was wann montiert wird.“ Der große chinesische Drache etwa ist am 19. Januar dran, der Wal schon morgen.
Den Meeressäuger kann man bereits sehen. Er liegt in voller Größe, jedoch noch ohne Flossen unweit der Pelikanbehausung. Die Vögel sind gerade im Winterquartier. Dafür waten ein paar Chinesen in Anglerhose durch das Wasserbecken im Gehege. „Sie richten gerade die Plattform ein, auf die dann der Wal gesetzt wird“, erklärt Xi Chen. Sind die Arbeiten im Zeitplan? Sie nickt zufrieden.
Bergzoo Halle zu Lichterwelten: „Wir haben es ausprobiert und es hat wunderbar funktioniert“
Die junge Frau aus Fernost muss nicht nur den Baufortschritt des Lichtspektakels überwachen. Sie ist mit gerade einmal 23 Jahren für ein 25-köpfiges Team verantwortlich, das wie ein chinesischer Wanderzirkus mit seinen Figuren um den Globus reist. Die Firma, für die Xi Chen und die anderen Chinesen arbeiten, heißt Sichuan Tianyu.
Seinen Sitz hat das Unternehmen in Zigong, der Lampion-Hauptstadt Chinas - und damit eigentlich auch der Welt. Oder anders gesagt: Was Wolfsburg in Deutschland für Autos ist, ist Zigong in China für Laternen. In der 2,7-Millionen-Einwohner-Stadt im Südwesten des Landes ist die Lampion-Industrie einer der wichtigsten Wirtschaftszweige. Das Geschäftsmodell von Sichuan Tianyu ist es, die Welt mit dem alten Handwerk auf moderne Weise zu erleuchten.
Im Bergzoo ist Tom Bernheim zu Xi Chen gekommen. Er ist für die Öffentlichkeitsarbeit des Tierparks zuständig - und er ist auch der kreative Vordenker der Lichterwelten. „Ich hatte schon lange überlegt, wie man mit dem Zoo auch zu Beginn des Jahres Besucher anlocken kann“, sagt er. Dann kam das Angebot aus Zigong. „Wir haben es im vergangenen Jahr ausprobiert und es hat wunderbar funktioniert“, sagt Bernheim.
Anfang 2018 war auch Xi Chen schon in Halle dabei. Angesprochen auf sie, beginnt Bernheim etwas zu schwärmen: „Sie ist ja noch eine junge Frau, organisiert hier aber alles schon mit einer sehr großen Professionalität.“ Xi Chen lächelt zart. Sie versteht Deutsch gut, spricht auch einige Sätze. „Ich habe ein Jahr in Greifswald deutsche Literatur studiert“, sagt die 23-Jährige. Die Universitätsstadt sei schön, vor allem die Lage an der nahen Ostsee. „Allerdings war dort ein bisschen wenig los“, meint die Chinesin aus der 2,7-Millionen-Einwohner Stadt.
Xi Chen wird im Bergzoo mit „Cara“ angesprochen. „Das ist mein englischer Name, der leichter auszusprechen und zu merken ist“, sagt sie und klingt dabei, als wäre ein zweiter Name eine Selbstverständlichkeit. Doch für sie ist „Cara“ eine notwendige Anpassung an ihre internationale Arbeitswelt: Bevor sie nach Halle kam, war sie in North Carolina (USA). In der Stadt Cary hatte sie mit ihrer Truppe einen Park ins rechte Licht gerückt. Davor erleuchtete sie beim „Chinesischen Laternen Festival“ die US-Ostküstenstadt Philadelphia und tauchte den Zoo im belgischen Antwerpen in bunte Lichter. „Man ist ganz schön unterwegs“, sagt Xi „Cara“ Chen.
93.000 Besucher bei „Magische Lichterwelten“ im Bergzoo Anfang 2018
Beim jetten um die Welt war die Rückkehr nach Halle allerdings Pflicht. „Die erste Auflage der Lichterwelten lief hier wirklich gut.“ Tom Bernheim nickt entschlossen: „Mit diesem Zuspruch hätte niemand gerechnet“, sagt der Zoo-Sprecher und meint damit die 93.000 Besucher, die Anfang 2018 zu den Lichterwelten kamen. „Wir wussten ja nicht genau, was uns erwartet.“ Bevor das Spektakel in Halle begann, war gerade die Lichtshow im Kölner Zoo zu Ende gegangen - mit 60.000 Besuchern. Entsprechend überrascht sei man über den großen Andrang in Halle gewesen, sagt Bernheim.
Um diesen Erfolg zu wiederholen, wurden für die diesjährigen Lichterwelten ganz neue Figuren gefertigt. Sie bestehen aus Metall und einer Art Ballonseide und sollen die vier großen Lebensräume der Erde nachstellen: Regenwald, Steppe, Wasser und Gebirge. Einen höherer sechsstelliger Betrag sei in das Projekt Lichterwelten geflossen, verrät Bergzoo-Sprecher Bernheim.
Damit alles bis zum 26. Januar fertig wird, ist allerdings noch einiges zu tun. Deswegen verabschiedet sich Xi Chen auch - sie muss zu den Giraffen, die gerade an den Strom angeschlossen werden. Und dann will sie noch schauen, ob der Sand auch angekommen ist - vielleicht wird ihre interkulturelle Vermittlungskompetenz ja ein weiteres Mal gebraucht. (mz)