Behinderten-Arbeitsplatz: Telefonist Behinderten-Arbeitsplatz: Telefonist: Der König der Stadt Halle
Halle/MZ. - Draußen auf dem Marktplatz, mit seinen schiefen Bodenplatten, den vielen Menschen und den Marktständen, da braucht Frank König einen weißen Stock. Um sich zu orientieren, nicht zu stolpern, nicht anzuecken. Jeder sieht sofort, dass da einer nicht sehen kann. Drinnen im Ratshof, gleich hinter der Poststelle, ist sein Arbeitsplatz. In einem Büro steht eine Handvoll Schreibtische, hintereinander aufgereiht wie die Hochhaus-Scheiben in Neustadt. Herr König? "Ja, ich bin der König von der Stadt Halle", witzelt er vom Schreibtisch ganz hinten zur Begrüßung.
Mit ruhigem Schritt kommt er vor, wankt nicht, eckt nicht an. "Hier kenne ich mich aus, hier kann ich mich frei bewegen." Niemand sieht, dass hier einer nicht sehen kann. Höchstens vielleicht daran, dass seine Augen an seinem Gesprächspartner vorbeischauen. Seit acht Jahren arbeitet er in der Telefonzentrale, einer Art Nervenzentrum der Verwaltung. Wer irgendwen bei der Stadt sprechen will und die Zentral-Nummer 2210 wählt, landet bei König oder einem Kollegen. Die Namen der gesuchten Ansprechpartner tippt er in eine handelsübliche Tastatur. Das geht fehlerfrei, auch ohne Sehvermögen: "Ich habe Schreibmaschine schreiben gelernt. Ich kann blind schreiben - im doppelten Sinne." Dank einer speziellen Braille-Taste kann König erkennen, welche Informationen der Computer ausspuckt. Was der Bildschirm anzeigt, übersetzt der Apparat: kleine Stifte darauf ordnen sich zu Buchstaben der Blindenschrift Braille. Frank König fährt mit den Fingerspitzen darüber und erfühlt die Informationen, Fachbereiche, Telefonnummern.
Frank König schafft aber nicht nur Verbindungen. "Es gibt auch Leute, die anrufen und erzählen. Dass sie kein Geld mehr haben, nicht mehr weiter wissen. Die erzählen einem ihre ganze Lebensgeschichte." Und er ist auch eine Art Puffer für empörte Bürger, die zuerst bei ihm, der sich mit "Stadt Halle" meldet, ihren Dampf ablassen. "Wenn die bei ihrem eigentlichen Gesprächspartner landen, ist der Ärger meist verraucht." Darin sieht Frank König seine Stärke: "Ich bin ein guter Zuhörer." Das bringe die Behinderung mit sich. "Wir Sehgeschädigte hören viel mehr aus Gesprächen raus." Im nächsten Jahr will er diese Qualität in den Dienst der Allgemeinheit stellen: als ehrenamtlicher Mitarbeiter bei einer Telefonseelsorge.
Auch seine Frau Bettina ist blind, das Paar teilt sich die Telefonistenstelle. Er arbeitet 35, sie fünf Stunden in der Woche. Diesen Job bei der Stadt zu haben, ihn ohne Hilfe machen zu können, sei sehr wichtig. "Das ist gut für mein Selbstbewusstsein. Ich bin eingegliedert in die Gesellschaft - und komme mir nicht überflüssig vor."