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Basketball-Talent aus Halle spielt um Deutsche Meisterschaft Basketball-Talent aus Halle spielt um Deutsche Meisterschaft: Andreas Obst: "Jung brutal gut aussehend"

Von Daniel George 09.06.2015, 06:13
Andreas Obst hat sich seine Traum vom Basketballprofi in Bamberg erfüllen können.
Andreas Obst hat sich seine Traum vom Basketballprofi in Bamberg erfüllen können. Imago Lizenz

Bamberg - Der große Mann mit dem sportlichen Gang betritt suchenden Blickes das Café „Luitpold“ im Herzen Bambergs. Seine Verabredung lässt auf sich warten, vielleicht ist er auch zu früh. Für wen er arbeitet, erkennt jeder sofort: Das knallrote T-Shirt mit der Aufschrift „Brose Baskets“ tragen zu dürfen, gleicht in dieser Stadt schließlich einem Ritterschlag.

Kevin Kositz ist hauptamtlicher Jugendtrainer beim sechsmaligen deutschen Meister. Ins Café ist er gekommen, um ein Talent aus der Türkei an den Verein zu binden. Seine Mission: Den jungen Mann nach Oberfranken lotsen. Oder wie Kositz es ausdrückt: „Den nächsten Andi Obst verpflichten.“

Der Zufall will es, dass der erste Andi Obst in diesem Moment auch im „Luitpold“ sitzt, vor ihm ein Teller Hähnchengeschnetzeltes mit Reis. „Bamberg ist ein Dorf“, sagt der 18-Jährige, „hier kennt jeder jeden.“ Doch dass er als Paradebeispiel für die europaweit anerkannte Bamberger Jugendarbeit taugen soll, geht dem U-20-Nationalspieler dann doch zu weit. Eigenlob ist nicht sein Ding.

Profivertrag anstatt Abitur

Vor zwei Jahren, als sich Bamberg gegen Oldenburg zum letzten Mal den deutschen Meistertitel sicherte, war Andreas Obst noch Nachwuchsspieler und stand als Zuschauer hinter dem Korb. Genau dort wird seit dieser Saison regelmäßig ein Plakat mit seinem Konterfei hochgehalten. „Jung, brutal, gut aussehend“, steht darauf.

Andreas Obst stammt aus Halle, dieser Tage kämpft er mit Bamberg um die deutsche Meisterschaft. Spiel eins verlor der Herausforderer gegen Titelverteidiger Bayern München am Sonntag daheim mit 73:84. Das zweite Duell beginnt morgen um 20 Uhr. Der junge Mann aus der Saalestadt steht dann wieder auf der größtmöglichen Bühne, die Basketball-Deutschland zu bieten hat.

Bamberg ist für Andreas Obst längst Heimat geworden. Vor Saisonbeginn zog er mit Mitspieler Daniel Schmidt in eine neue Wohnung. Raus aus der Nachwuchs-WG, rein ins selbstbestimmte Leben. Das weinrote Drei-Etagen-Haus liegt nicht einmal zehn Autominuten von der Brose-Arena entfernt in einer ruhigen Gegend. Hinterhof-Idylle statt Großstadt-Lärm. Andreas Obst hat sich auf 60 Quadratmetern mit Balkon eingerichtet. Vor der Wohnungstür schwebt regelmäßig eine putzende Hexe. Sie signalisiert, dass die Basketball-WG für den Dienst im Treppenhaus zuständig ist. Und das kann im Leben eines Basketball-Profis seine Tücken haben. Zum Beispiel, als die Brose Baskets zum europäischen Wettbewerb in Slowenien weilten. Das Treppenfegen musste warten.

Simone Fischer kann in Halle über solche Anekdoten schmunzeln. Im Sommer 2011 war ihr Sohn ausgezogen, um im 260 Kilometer entfernten Bamberg zum Profi ausgebildet zu werden. Andi war damals gerade 15 Jahre alt geworden. „Welche Mutter sieht es schon gerne, dass ihr Sohn in diesem Alter von zu Hause auszieht?“, fragt sie. Doch heute weiß sie: „Für ihn war das die einzig richtige Entscheidung.“

Obst, der bis zu seinem Wechsel beim USV Halle spielte, durchlief die Nachwuchsmannschaften des Bundesligisten, empfahl sich auch im Trikot der Jugendnationalmannschaften für höhere Aufgaben. Sein Talent war das eine, sein unbändiger Ehrgeiz das andere. „Andis Arbeitsethos in den Zeiten, wenn niemand zuschaut, zeichnet ihn aus“, sagt Chris Fleming.

Fleming ist seit Dezember 2014 Trainer der deutschen Nationalmannschaft. Vorher prägte der 45-jährige US-Amerikaner bei den Brose Baskets Bamberg eine Ära: Vier deutsche Meisterschaften und drei Pokalsiege bescherte er den Franken in sechs Jahren. „Ich kann mich noch genau an die erste Begegnung mit Andi erinnern“, sagt der Bundestrainer heute. „Er hat sich vorgestellt, mir die Hand gegeben und tief in die Augen geschaut. Sehr selbstbewusst, ganz anders als viele Jungs in seinem Alter. Seitdem hat er immer den Weg geradeaus genommen.“ Er sei ein Spieler, „von dem ich auch als Person sehr viel halte“.

Andreas Obst hat sich entwickelt in Bamberg. „Für mich war klar, dass ich Profi werden will. Deswegen bin ich hierher gekommen“, sagt der 18-Jährige, dem es entsprechend leicht fiel, das Bamberger Vertragsangebot im Sommer 2014 anzunehmen. Wenngleich dadurch sein Abitur auf der Strecke blieb. „Profi sein und Schule machen“, meint der Realschulabsolvent, „das geht nicht.“

Sein Vertrag läuft bis 2018. Eine lange Zeit im Profi-Basketball, in dem die Gesichter einer Mannschaft von Saison zu Saison wechseln. „Das ist ein Zeichen von sehr viel Vertrauen“, sagt Simone Fischer, „und wenn er sich schlimm verletzen sollte, gebe es die Aussicht, dass er eine Ausbildung machen kann.“

So bindet man als Verein seine Talente. Cheftrainer Andrea Trinchieri, ein 46-jähriger Italiener, der das Team vor dieser Saison übernommen hat, sprach sich als eine seiner ersten Amtshandlungen dafür aus, Obst mit einem Profivertrag zu versehen. 20 Bundesliga-Partien hat der 1,91 Meter große Aufbauspieler seitdem absolviert. In der regulären Spielzeit stand er durchschnittlich fünf Minuten pro Partie auf dem Parkett. „Andi will sich täglich verbessern. Ein Sportler, wie man ihn sich wünscht“, sagt Rolf Beyer, der Geschäftsführer der Brose Baskets. „Und das Wichtigste: Er ist auf dem Boden geblieben.“

Halle nicht vergessen

Das Leben des Andreas Obst hat sich verändert. Heute sitzt er in der Kabine neben den großen Stars: Zu seiner linken Brad Wanamaker, die Entdeckung dieser Bundesliga-Saison, zu seiner rechten Trevor Mbakwe, eine 2,08 Meter große Urgewalt. Aussuchen durfte sich Obst seinen Platz im Bamberger Heiligtum nicht. Neulinge müssen sich hinten anstellen, auch bei der Auto-Vergabe. Sein kleiner, silberner Toyota Yaris genügt dem Fahranfänger, der seit drei Monaten einen Führerschein besitzt. Die gestandenen Spieler fahren dickere Autos.

Doch solch ein Gefährt würde auch nicht zu Andreas Obst passen. Mit blauen Turnschuhen, schwarzer Trainingshose, weißem Muskelshirt und dem für Basketballer obligatorischen Basecap schlendert der Jungprofi durch Bambergs Innenstadt. Nicht unweit vom Café Rondo, der legendären Gerüchteküche, wo „viel erzählt wird“ und es den „besten Eistee der Stadt“ gibt, trifft er Bambergs Bürgermeister. Man grüßt sich, man kennt sich. „Er ist auch bei jedem Heimspiel“, sagt Obst.

Der Hallenser fühlt sich im Oberfränkischen heimisch. Trotzdem hat er seine Heimat nicht vergessen. Über seinem Bett hängt ein Foto von ihm im Trikot des USV Halle. Nur ein Basketball-Plakat hat er beim Umzug in die neue Wohnung nicht wieder aufgehängt. Ein Poster von Dirk Nowitzki, auf dem geschrieben steht: „Alle Träume klingen verrückt. Bis sie wahr werden.“ Das verstaubt in einem Karton. „Wegschmeißen werde ich es nicht“, sagt Andreas Obst. Aber sein Traum vom Profi-Dasein ist bereits wahr geworden. (mz)

Auch in der malerischen Innenstadt verbringt der gebürtige Hallenser gerne seine Freizeit. „Bamberg hat 70 000 Einwohner, zehn Prozent davon sind bei jedem Heimspiel“, sagt die Nummer 17 im Gespräch mit MZ-Redakteur Daniel George (links)
Auch in der malerischen Innenstadt verbringt der gebürtige Hallenser gerne seine Freizeit. „Bamberg hat 70 000 Einwohner, zehn Prozent davon sind bei jedem Heimspiel“, sagt die Nummer 17 im Gespräch mit MZ-Redakteur Daniel George (links)
Schulz Lizenz
In der Kabine des Bundesligisten Bamberg, der aktuell um die Deutsche Meisterschaft spielt.
In der Kabine des Bundesligisten Bamberg, der aktuell um die Deutsche Meisterschaft spielt.
Schulz Lizenz
Das Trikot des USV Halle hängt in seinem Bamberger Zimmer als Erinnerung.
Das Trikot des USV Halle hängt in seinem Bamberger Zimmer als Erinnerung.
Schulz Lizenz