1. MZ.de
  2. >
  3. Lokal
  4. >
  5. Nachrichten Halle
  6. >
  7. Band aus Halle: Señor Bella a camino: Mitteldeutsche Weltmusik

Band aus Halle Señor Bella a camino: Mitteldeutsche Weltmusik

Springlebendig, lässig, frei und immer international: Die Band „Señor Bella a camino“ um den Hallenser Toralf Schwarz spielt drei Konzerte in der Region.

Von Mathias Schulze Aktualisiert: 12.08.2024, 09:42
Was sie verbindet? „Freundschaft und Freude am Musizieren.“ Anathol Unger, Rona Beerens, Adrienne Csongar (sitzend), Elisabeth Gilbert, Undine Hannemann und Toralf Schwarz sind „Señor Bella a camino“ (von links).
Was sie verbindet? „Freundschaft und Freude am Musizieren.“ Anathol Unger, Rona Beerens, Adrienne Csongar (sitzend), Elisabeth Gilbert, Undine Hannemann und Toralf Schwarz sind „Señor Bella a camino“ (von links). (Foto: Moritz Lange)

Halle/MZ. - „Mitteldeutsche Weltmusik!“ Fragt man Toralf Schwarz, 1966 in Mecklenburg-Vorpommern geboren, wie er die Musik seiner Band „Señor Bella a camino“ beschreiben würde, kommt die Antwort knapp und treffend. Weltmusik ist das Ineinander von Stilen und Sprachen, verstanden wird ihre Haltung überall.

Die Band, die noch aus Anathol Unger, Rona Beerens, Adrienne Csongar, Elisabeth Gilbert und Undine Hannemann besteht, verwebt mit bunter Lebendigkeit die deutsche, englische und spanische Sprache. Lateinamerikanische Klänge im Hippie-Rhythmus, lautmalerische Lebensfreude und das beschwingte Zusammenspiel von Gitarren, Flöten, Posaune, Cello oder Klarinette. Songs, die sich mit scheinbarer Naivität um große Fragen drehen. Mit Bescheidenheit, weiser Resignation und befreiender Demut wird das Fügen in die eigene Nichtigkeit gefeiert. Im Song „Endlich“ heißt es lebensbejahend: „Kommt das Ende über uns / Bei Tag oder Nacht? / Stell ich mir heute all diese Fragen / Wird mir wieder klar, wie endlich ich bin / Warum sollte ich zürnen / Warum sollt ich klagen / Wo ein Ende, ist auch ein Beginn.“

Metaller, Punker, Hippie

„Die Band verbindet eine Freundschaft, die Freude am Musizieren“, erzählt Schwarz, der 1970 mit seinen Eltern nach Halle-Neustadt zog. Der Vater bekam damals Arbeit in Leuna und eine begehrte Neubauwohnung. Das sozialistische Glück mit Kleinfamilie und Warmwasseranschluss hielt nicht lange. Geschieden, kaufte sich die Mutter 1979 ein Haus in Halle, Schwarz baute es aus, ließ sich die Haare wachsen und wohnt noch heute dort.

1983 begann er eine Lehre als Landschaftsgestalter. Aus dem West-Radio kam Rockmusik mit den nach Freiheit schmeckenden Gitarrensoli. Schwarz und die Identitätssuche, mal verstand er sich als Metaller, mal als Punker oder Hippie – Hauptsache eine Randgruppe. Die DDR und das nackte Faktum der äußeren Erscheinung. Blitzlichterinnerungen von einem, der sich noch nie dem Mainstream zugehörig fühlte: „Es gab eine Zeit, da musste ich nur meine Nase aus der Tür stecken – und schon wollte der Abschnittsbevollmächtigte meinen Ausweis sehen“, erzählt Schwarz.

Musste es wirklich alle paar Tage sein? DDR-Irrsinn in einer Nussschale. Der Musiker, der heute in einem Baumarkt arbeitet, nüchtern: „Er sagte immer nur, dass es sein gutes Recht sei.“

War Schwarz anfangs noch stolzer Jungpionier, wurden ihm die Absurditäten im Land während der Lehre immer bewusster: „Im VEB (K) Grünanlagen hieß es das Jahr über, dass wir unseren Plan nicht schaffen. Aber am 1. Mai wurden wir ausgezeichnet: Plan übererfüllt!“ Ein jugendliches Leben in den subversiven Kreisen Halles, Schwarz wandte sich der Musik zu, nahm Gitarrenunterricht. Noch so eine groteske Geschichte aus den 80er Jahren: „Einmal kam in der Kneipe einer im adretten Anzug zu mir und meinen Kumpels. Er fragt, worauf wir trinken wollen. Wir wussten, dass wir nichts Falsches sagen durften.“ Vielsagende Blicke, eine pfiffige Antwort folgte: Auf den Frieden! Der Anzugträger ließ mehrere Schokoladen-Osterhasen da.

1988 wurde Schwarz, der sich als Landschaftsgestalter gegen das Fällen von Bäumen aussprach, nach Berlin geschickt: „Ich wurde weggelobt, ging aber gerne nach Berlin. Ich mag Veränderungen.“ Während weltgeschichtliche Ereignisse stattfanden, pendelte er regelmäßig nach Halle, nach dem Mauerfall lebte Schwarz in der Hausbesetzer-Szene Berlins: „Ich habe den Umsturz als eine grandiose Zeit in Erinnerung. Endlich konnte ich Zeitungen lesen, vorher stand ja sowieso nur der gleiche Dreck drin.“

Die Häuser wurden Privateigentum, Schwarz bekam einen Sohn, spielte in verschiedenen Bands, 1992 ging es zurück nach Halle: Studium und Gründung der Band „The Morlox“, die es bis 2007 gab, folgten. 1999 kam der zweite Sohn. Schwarz, der heute mit Rona Beerens verheiratet ist und auch mal auf Feldern Mais mitnehmen musste, um den Magen zu füllen, fasst die letzten drei Jahrzehnte zusammen: „Wechselnde Jobs und Partnerinnen – immer auf der Suche nach Glück.“ Seinen Haltungen ist er treu geblieben: „Im Zuge von ’89 hätten sich Ost und West auf Augenhöhe die Vor-und Nachteile der Staaten anschauen können. Stattdessen wurde der Westen übergestülpt.“

Kulturparty im eigenen Haus

Was bleibt, ist das Touren mit Band und eine Kulturparty im eigenen Haus. Jedes Jahr im Winter werden Leute eingeladen, 50 Personen auf 100 Quadratmetern. Was bleibt, ist die Lebensfreude durchs gemeinsame Musizieren.