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Autor Martin Gresch Autor Martin Gresch: Die Kunst zu sterben

18.09.2016, 10:00
Martin Gresch
Martin Gresch Holger John

Halle (Saale) - Martin Gresch sitzt mit einer Cola in einer Bagelladen in der Großen Ulrichstraße. Holzfällerhemd, Tolle, Vollbart. Er komme oft hierher, sagt der 33-Jährige. Zumindest wenn er nicht als Referent eines Chemiekonzerns durch Deutschland tourt. Das passiert oft. Dennoch hat Gresch Zeit gefunden, einen schwarzhumorigen Ratgeber zu verfassen.

„Fünf Wege, den eigenen Tod vorzutäuschen“. Der hat sich schon tausendfach verkauft. Im Interview mit MZ-Redakteur Robert Briest sprach der Hallenser über Vorteile und Risiken des eigenen Scheinablebens und über einen möglichen Neuanfang nach dem fingierten Tod.

Sind Sie mit Ihrem Leben unzufrieden?

Gresch: Nein, sehr zufrieden sogar.

Wieso sind Sie dann darauf gekommen ein Buch über Strategien zuschreiben, den eigenen Tod vorzutäuschen?

Gresch: Ich hatte immer vor, ein makaberes Buch voll schwarzem Humor zu schreiben, aber mir fehlte der Ansatz, wie ich es aufziehe. Irgendwann bin ich im Buchladen mal in der Abteilung Lebensratgeber hängengeblieben. Ich blätterte 90 Minuten durch die Ratgeber von Fernsehköchen und Erlebnisreiseunternehmern. Dann wurde mir klar: Da steht überall das Gleiche. Im Endeffekt lautet die Botschaft immer: Lerne deine Situation zu ertragen. Da hatte ich die Idee mal einen richtigen Ratgeber zu schreiben, wie man sein Leben wirklich verändert. Wenn man ein neues Leben anfangen will, muss man sein altes erst gerichtsfest beenden. Eine einfache Veränderung reicht nicht. Gerichtsvollzieher, Staatsanwälte, Ex-Frauen würden einen immer finden.

Sie beschreiben fünf mögliche ExitMethoden, vom schnellen Ausweg bis hin zum monatelang vorbereiteten Ausstieg. Wie haben Sie die recherchiert?

Gresch: Ich habe mit Ärzten gesprochen, mit Apothekern, mit der Feuerwehr, mit Bestattern, mit Pflegern im Krankenhaus und auch mit einem Tankstellenbesitzer. Die Methoden sind wirklich alle umsetzbar, aber sie sind zum Teil mit massiven Risiken verbunden.

Tödlichen?

Gresch: Ja, es kann sein, dass es schlecht ausgeht.

Was ist denn die größte Herausforderung, wenn ich meinen Tod vortäuschen möchte?

Gresch: Man braucht eine Leiche. Jemand muss für einen sterben, wenn man selbst leben möchte. Aber es gibt natürlich auch Möglichkeiten dieses Problem zu umgehen.

Welches wäre denn Ihre bevorzugte Methode Ihr Ableben zu simulieren?

Gresch: Die ich unter dem Namen „Die Vogelscheuche“ beschrieben habe. Das Problem ist immer, dass jemand, der sein Ende vortäuschen möchte, das nicht aus Langeweile macht, sondern weil er ernsthafte Schwierigkeiten hat. Das heißt, es werden Menschen prüfen, ob man wirklich verstorben ist. Zum Beispiel Polizisten. Im Kapitel „Die Vogelscheuche“ geht es darum seinen Tod so vorzutäuschen, dass selbst der letzte Zweifler überzeugt wird. Doch das kann schnell wirklich lebensgefährlich werden.

Mit körperlichen Schäden?

Gresch: Im besten Fall nicht. Aber jetzt nähern wir uns dem Punkt, um den es wirklich geht. Denn jede der Methoden stellt den Leser vor eine moralische Entscheidung. Das ist der Kern des Buches. Man gibt sich die Antwort auf die Frage, will ich wirklich ein neues Leben, bin ich bereit alles zu Opfern, bereit gegen meine eigenen Prinzipien zu verstoßen, um dafür neu anfangen zu können.

Kann ich nach meinem Tod einen Neuanfang in Deutschland starten?

Gresch: Ja. Man kann auch neue Papiere, Versicherungsunterlagen, eine neue Identität bekommen und in Deutschland weiterleben. Man müsste dazu aber in der Regel einen Urlaub von 7 bis 14 Tagen antreten, um dann als neuer Mensch zurückzukehren.

Als Hallenser sollte man Halle vermutlich meiden?

Gresch: Wahrscheinlich. Es gibt keine Schönheitsoperationen in diesem Buch. Es ist möglichst realistisch gehalten und deshalb auch im Anleitungsstil geschrieben.

Befürchten Sie einen Werther-Effekt, dass Menschen Ihre Anleitungen tatsächlich umsetzen?

Gresch: Ich habe viele Zuschriften in diesem Stil erhalten. Ich rate immer, das Buch noch mal zu lesen. Ich weiß natürlich nicht, ob die auch so nur so ernst gemeint sind, wie das Buch selbst.

Inwieweit mache ich mich strafbar, wenn ich Ihre Methoden umsetze?

Gresch: Beim Lesen machen Sie sich natürlich nicht strafbar. Und wenn Sie es schaffen, ihren Tod vorzutäuschen, beginnen Sie mit einer weißen Weste.

Es gibt also erst ein Problem, wenn die Täuschung auffliegt?

Gresch: Genau.

Nun beende ich meine Existenz, bin dann aber nach fünf Jahren meines Todes überdrüssig. Wie kann ich wiederkommen?

Gresch: [lacht] Oh, das habe ich nicht bedacht. Die Entscheidung ist nicht mehr umkehrbar. Wer sich für tot erklären lassen möchte, muss es bleiben. Aber es ist ein schöner Gedanke, vielleicht sollte ich noch eine zweite Auflage machen.

Sie haben das Buch in Eigenverlag herausgebracht. Warum?

Gresch: Ursprünglich hatte ein großer deutscher Satireverlag Interesse. Aber die wollten dann immer mehr eingreifen, einige harte Stellen entschärfen, um das Buch mehr an den Mainstream anzupassen. Dagegen habe ich mich verwehrt. Mich hat dann jemand darauf gebracht, dass man sich auch selbst verlegen kann. Wir leben in einer Zeit, in der sich ein Katzenvideo in 30 Minuten um die ganze Welt verbreitet.

Deswegen war mir klar, wenn das Buch gut ist, wird es seine Leser finden. Ich habe mir dann einen freien Lektor gesucht, habe es als Taschenbuch und E-Book produzieren lassen und es bei Amazon eingestellt. Irgendwann, ich weiß nicht warum, ging es dann viral.

„Exit-Stratege: Fünf Wege den eigenen Tod“ von Martin Gresch gibt es nur bei Amazon. Taschenbuch: 9,99 Euro, E-Book: 2,99 Euro. (mz)