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Ausstellung in Halle Ausstellung in Halle: Galerie Zaglmaier zeigt Lust und Laster in Bronze

Von Detlef Färber 29.01.2014, 21:12
„Tanzender“ und „Tanzende“
„Tanzender“ und „Tanzende“ Thomas Meinicke Lizenz

Halle (Saale)/MZ - Es war die Zeit, als Tanzen nichts weniger war als ein Walzertraum: kein harmonisches Durch-den-Raum-Schweben, keine Drehung Arm in Arm, sondern wilde Einzeldarbietung in Massen. Zuckungen und Verzückungen füllten in jener Zeit die zuvor eher noblen Tanzsäle.

Aus dem Harz, aus Salza bei Nordhausen, stammte Wilfried Fitzenreiter (geboren 1932), der zu den bedeutendsten Vertretern der figürlichen Plastik in Deutschland gezählt wird. Nach einer Steinmetzlehre in Halle hatte er hier ein Studium an der „Burg“ angeschlossen und war Schüler von Gustav Weidanz und Gerhard Lichtenfeld - und später in Berlin Meisterschüler von Heinrich Drake. An der Berliner Kunsthochschule in Weißensee hatte Fitzenreiter einen Lehrauftrag. In Berlin, wo er lebte, ist der Künstler im Jahr 2008 gestorben.

Die Rede ist vom Jahr 1971: Rock ’n’ Roll, Hippie-Beat und Flowerpower waren bereits Geschichte, Rock war die Gegenwart und Disco-Pop und Punk noch Zukunftsmusik.

„Tanzender“ und „Tanzende“

Ein Berliner Bildhauer hat damals - vor 42 Jahren - zwei kleine Plastiken geschaffen, die das Lebensgefühl jener Zeit zeigen. „Tanzender“ und „Tanzende“ heißen die Figuren, die derzeit in der Galerie Zaglmaier zu sehen sind - in einer Werkschau des vor fünf Jahren verstorbenen Bildhauers mit hallescher Vergangenheit.

Dabei sind die besagten beiden Tänzer ein beredtes Beispiel dafür, wie vielschichtig Fitzenreiters Werke in ihrem Ausdruck - je nach Perspektive des Betrachters - sind. So sieht es bei der Anordnung der beiden Figuren in der Schau gar nicht so sehr nach Tanz aus, sondern eher so, als sei der Tänzer der Jäger der Tänzerin. Doch auch das passt zu 1971, einer Zeit der ziemlich freien Liebe. Und dies ist dann auch folgerichtig ein dominierendes Thema in vielen Arbeiten der Ausstellung: Zusammen mit Lust und Laster und einigen Szenen und Posen von Leidenschaft, Leid und was sonst noch das Leben ausmacht, hat Fitzenreiter sie in Bronze gegossen.

Enger Freund Göbels

Dass und wie er das hinbekommen hat, war freilich keinesfalls eine Selbstverständlichkeit. Denn der Künstler hatte ein gerade für sein plastisches Fach schweres Handicap: Er konnte, wie Galerist Thomas Zaglmaier berichtet, nur mit einem Auge sehen. Ein Bildhauer ohne räumliches Sehen - eigentlich ein Unding! Und dennoch war Fitzenreiter nach Ansicht des Galeristen einer der besten seines Fachs in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts. Einer, auf den dies auch zutrifft und der teilweise dieselben künstlerischen Lehrer hatte, ist Bernd Göbel. Als langjähriger Freund Fitzenreiters hat er bei der Vernissage zur jetzigen Schau auch die Rede gehalten. Dabei hat Göbel auch erzählt, wie sie zusammen regelmäßig die Geburtstage von Gustav Weidanz, ihrem Lehrer und Meister, gefeiert haben - nämlich etwa auch Kunst betrachtend in Museen in Nah und Fern.

Kennern der Werke von Göbel und Besuchern der Fitzenreiter-Schau fällt die Verwandtschaft beider übrigens auch künstlerisch ins Auge. Ein lächelnder und kundiger, immer aber lebensbejahender Blick in Welt und eine mit Verschmitztheit gepaarte Ernsthaftigkeit in der Darstellung machen die Klasse der Kunst dieser beiden herausragenden Vertreter der halleschen Bildhauerschule aus. Die Perfektion der technischen Ausführung natürlich inklusive.

Nackte Protagonisten

Was von Fitzenreiter bleiben wird und ihn weiterhin der Welt bekannt macht, ist eine zentral in Berlin, gegenüber dem Bode-Museum platzierte Gruppe Sitzender, die zum Teil die Beine über einem Spreearm baumeln lassen. Sie sind nackt wie so viele Protagonisten Fitzenreiters. Wie alle eigentlich, denn - so erzählt Zaglmaier - der Künstler habe auch seine letztlich dann bekleidet dargestellten Figuren immer zuerst nackt modelliert. Auch als Medaillen- und Münzgestalter ist und war Fitzenreiter berühmt. Und eins seiner Werke, geschaffen auch in den 70ern, ging einst in der DDR von Hand zu Hand. Die Fünf-Mark Münze mit Albert Einstein vorne drauf. Das war ungefähr der Lohn für eine Stunde Arbeit. In Relativität zur Zeit und den Preisen war zumindest das gar nicht so schlecht.

Ausstellung in der Galerie Zaglmaier, Große Steinstraße 57, bis zum 25. Februar, geöffnet werktags in der Zeit von 13.30 bis 18.30 Uhr.

Die Plastik „Säufer“
Die Plastik „Säufer“
Thomas Meinicke Lizenz
Ein „Ungleiches Paar“
Ein „Ungleiches Paar“
Thomas meinicke Lizenz