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Aus Frust Firma aufgebaut

Von Claudia Crodel 04.10.2004, 16:37

Halle/MZ. - Pflegedienstleiterin Angela Wiesener kann dieser Tage auf ein Jubiläum blicken: Zehn Jahre ist es her, dass sich die gelernte Fachkrankenschwester selbstständig gemacht hat. Sie hat eine häusliche Kranken- und Altenpflege gegründet, eine Kurzpflegestation aufgebaut und bietet altengerechtes Wohnen an.

Eigentlich sei der Schritt in die Selbstständigkeit eine Frust-Entscheidung gewesen, blickt Angela Wiesener zurück. Ursprünglich war sie in der Urologie tätig, dort sogar Stationsschwester. Nachdem ihr zweiter Sohn geboren war, trat sie vom Drei-Schicht-Dienst zurück und wurde Ambulanzschwester im Bereich der Orthopädie. Nach der Wende ging sie in die Altenpflege bei einem Trägerverein. "Dort spielte der Zeitfaktor ein große Rolle. Alles sollte in immer kürzerer Zeit gemacht werden. Ich hatte keine Zeit mehr für meine Patienten", erinnert sie sich.

Deshalb sagte sie sich eines Tages: "Das kannst du besser." Sie suchte ihre Papiere zusammen, sprach bei der Allgemeinen Ortskrankenkasse vor und bekam sofort die Zulassung für eine private Häusliche Kranken- und Altenpflege.

"Angefangen habe ich mit einer Mitarbeiterin in meiner Wohnung am Steg", erzählt sie. Die Familie habe in der Vier-Raum-Wohnung enger zusammenrücken müssen, denn es wurde ein Büro gebraucht. Ihr "Startkapital" seien die Patienten gewesen, die sie beim Träger bereits betreut hatte. Fast alle wollten weiter von ihr betreut werden.

"Dann ist alles Schritt für Schritt weitergegangen", sagt Angela Wiesener. Es seien immer mehr Mitarbeiter hinzugekommen. In ihrem heutigen Wohnort, in Angersdorf, hat sie fünf Wohnungen für betreutes Wohnen aufgebaut. In der Liebenauer Straße kam die Kurzzeitpflegestation dazu; auf der können elf Patienten stationär gepflegt werden, wenn die pflegenden Angehörigen beispielsweise Urlaub machen wollen.

Ebenfalls in der Liebenauer Straße entstand eine Wohnanlage mit 24 altengerechten Wohnungen. Die Schulen, die Altenpfleger ausbilden, brauchten Praktikumsplätze im ambulanten Bereich. Dann begann Angela Wiesener selbst Auszubildende einzustellen. Inzwischen hat sie 50 fest angestellte Mitarbeiter, sieben Auszubildende und eine Fahrzeugflotte von 23 Autos. Zudem arbeitet sie nebenbei als Gutachterin für das Sozialgericht.

"Die Patienten stehen bei mir immer an erster Stelle. Sie können sich ja selbst nicht mehr behelfen", sagt die engagierte Altenpflegerin. Die eigene Familie habe da oft zurückstecken müssen. Seit zehn Jahren gönnt sie sich allenfalls hin und wieder einen kurzen Wochenendurlaub.

Bereut hat sie das alles nie: "Ich stamme aus einer Kneiperfamilie, wollte aber schon immer anderen Menschen helfen. Ich kann nicht anders." Zwar komme sie selbst nicht mehr zu regelmäßigen Pflegearbeiten. Doch: "Ich kenne alle unsere Patienten persönlich", sagt sie stolz. Schließlich treffe der Nachtnotruf stets bei ihr ein. Und schwierigere Arbeiten wie Infusionstherapie oder Blutentnahme übernimmt sie selbst.